Kontrollierte Vielfalt in der Werkstatt der Kulturen?

Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanna Kahlefeld (GRÜNE) vom 14. Juni 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juni 2012) und Antwort sowie Erläuterungen von Susanna Kahlefeld

Das Dokument „Drucksache 17/10612 zur Anfrage können Sie hier herunterladen.

Kontrollierte Vielfalt in der Werkstatt der Kulturen

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. Wer hat den Mietvertrag zur Nutzung von Räumen in der Werkstatt der Kulturen erstellt?

Zu 1.: Die Geschäftsführung der Werkstatt der Kulturen hat die Vertragsmuster ausgearbeitet. In den vergangenen fünfzehn Jahren wurden diese mehrfach aktualisiert.

2. Warum kann der Mietvertrag nicht online abgerufen werden?

Zu 2.: In der Werkstatt der Kulturen gibt es mehrere Räume, die je nach Zeit, Ausstattung und Veranstaltungstechnik einen unterschiedlichen Mietpreis ergeben.

3. Warum werden im Fragebogen zum Mietvertrag folgende Details abgefragt?

                        Anzahl der Personen bei der Planung

                       Namen und Funktionen aller Beteiligter (inkl.  Techniker_innen)

                        Veranstaltungssprachen

                        „genaue“ Angaben zu Themen und Inhalten von Veranstaltungen?

Zu 3.: Die Frage nach der Anzahl der Personen bei der Planung ist erforderlich zur Klärung der Frage nach den Ansprechpersonen während der Planung und der Veranstaltung. Nicht immer ist die Vertragsunterzeichnerin/der Vertragsunterzeichner (in der Regel der Vereinsvorsitzende/die Vereinsvorsitzende) auch Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für die Veranstaltung.

Die Namen und Funktionen aller Beteiligten (inkl. Technikerinnen und Techniker) sind nötig, um zu wissen, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit welchen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern der Mieterin oder des Mieters kommunizieren soll (zum Beispiel vereinbart die Veranstaltungstechnikerin oder der Veranstaltungstechniker der Werkstatt der Kulturen Termine, um Veranstaltungstechnikerinnen und Veranstaltungstechnikern des Veranstalters eine Einführung in die Lichttechnik zu geben).

Die Veranstaltungssprachen sind von Bedeutung, um zu erfahren, ob Dolmetscherboxen benötigt werden. Zudem hat sich die Zahl der mehrsprachigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstatt der Kulturen erhöht (zum Beispiel freuen sich lateinamerikanische Vereine, wenn die Veranstaltungstechnikerin oder der Veranstaltungstechniker spanisch bzw. portugiesisch spricht).

Angaben zu Themen und Inhalten von Veranstaltungen sind unabdingbar, da Veranstaltungen, bei denen zu Gewalt aufgerufen wird, in der Werkstatt der Kulturen nicht stattfinden dürfen. Die Werkstatt der Kulturen haftet für Veranstaltungsinhalte.

4. Warum müssen Interessenten einen detaillierten schriftlichen Antrag stellen, wenn die Arbeitsweise der Werkstatt der Kulturen dialogisch und vernetzt ist?

Zu 4.: Es handelt sich nicht um einen Antrag, sondern um Informationen für den Veranstaltungsplan, aus dem die Zeitplanung, Raum- und Personaldisposition hervorgeht. Dieser Veranstaltungsplan mit dem Programmablauf wird in der Regel gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Veranstaltungsbüros der Werkstatt der Kulturen erstellt.

5. Falsche Angaben zum Programm können zur Kündigung des Vertrages von Seiten der Werkstatt führen: Ist das vorgekommen? Wie oft? Welche Vereine waren betroffen?

Zu 5.: Nein.

6. Wie begründet der Senat diese rigide Kontrolle von soziokulturellen Veranstaltungen?

Zu 6.: Der Senat weist diesen Vorwurf entschieden zurück. Es handelt sich nicht um “rigide Kontrollen”, vielmehr geht es darum die Veranstaltungen in der vom Land Berlin institutionell geförderten Werkstatt der Kulturen so sorgfältig wie möglich zu planen, um zu gewährleisten, dass die Veranstaltungen auch erfolgreich durchgeführt werden. Diese Begleitung der Veranstalter hat sich bewährt.

Berlin, den 13. Juli 2012

In Vertretung

Farhad D i l m a g h a n i

Senatsverwaltung für Arbeit,

Integration und Frauen

(Eingang im Abgeordnetenhaus am 24.Juli 2012)

 

Erläuterungen zur Kleinen Anfrage „Kontrollierte Vielfalt“ von Susanna Kahlefeld

Die Raumnutzung in der Werkstatt der Kulturen wird seit Jahren rigide kontrolliert – hier ist das Anmelde- bzw. Antragsformular einzusehen. Auf der Website der Werkstatt ist es unfreundlicherweise nicht zu finden.

Was dem Formular nicht zu entnehmen ist: Der große Saal in der Werkstatt ist für viele Veranstaltungen sowieso nicht mehr nutzbar. Es gibt fest montierte Stuhlreihen und das Essen und Trinken ist verboten. Damit sind insbesondere die Nationalfeiertage der afrikanischen Communities, bei denen Tische und Stühle aufgestellt und selbstverständlich auch landestypische Spezialitäten gegessen wurden, aus dem Haus gedrängt. Die Interkulturelle Öffnung landeseigener Institutionen sieht anders aus.

Dazu kommt noch das politische Ärgernis: Diese Unabhängigkeitsfeiern, die an die Befreiung vom Kolonialismus erinnern, gehören nach meiner Auffassung nach Berlin, in die Stadt, in der Afrika geteilt wurde. Dass ihnen der Senat mit fadenscheinigen Argumenten den jahrelang gewohnten und gut erreichbaren Ort genommen hat, ist für mich einer der Belege dafür, dass der Senat an einer Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte Berlins kein Interesse hat. 

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