„Im Leben angekommen" - Bericht des Fachtages Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten

Am 15. Februar fand der von der Fraktion Bündnis 90/ die Grünen des Abgeordnetenhauses organisierte Fachtag zum Thema Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten statt.

In unterschiedlichen Workshop-Panels wurden Themen wie Hürdenabbau im Aufenthaltsrecht und Maßnahmen zur Berufsbegleitung von Geflüchteten mit Expert*innen diskutiert. Auch die Möglichkeiten die pädagogische Berufe, Pflegeberufe und der Eintritt in die Selbständigkeit bieten wurde thematisiert.

Ich moderierte das Panel „Anerkennung ausländischer Abschlüsse“, einem Thema mit dem ich mich immer wieder beschäftige da die Umsetzung in Berlin weiterhin problematisch ist.

Die Dokumentation des gesamten Fachtages finden Sie hier.

 

Workshop 2: Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse

Wie kann Berlin es schaffen Menschen, die zu uns kommen, in qualifizierte Arbeit zu bringen? Darüber diskutierte Susanna Kahlefeld (Sprecherin für Partizipation und Beteiligung) mit Dilek Intepe (HWK Berlin: Ansprechpartnerin zum Thema „Feststellung und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse“), Katja Schefe-Rasokat (IHK Berlin: Ansprechpartnerin bei der IHK für Anerkennungsberatung nicht reglementierter Berufe; Projekte „Unternehmen Berufsanerkennung“ und „ProRecognition – Berufliche Anerkennung bereits im Heimatland“), Meike Al-Habash (IHK Berlin: Ansprechpartnerin Ausbildungsberatung bei der IHK Berlin), Franz Allert, (Leiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales Berlin), David Wingert (stellv. Geschäftsführer Jobcenter Berlin-Mitte) und Reinhard Selka (Pankow hilft).

Konsens bestand bei allen Diskutierenden darin, dass die Integration in Arbeit in Berlin besser gehen könnte – und dass die Probleme u.a. bei den Rahmenbedingungen und Arbeitsabläufen liegen.

Diskussionsergebnisse:

  • Vernetzung stärken (bessere Koordination/Information/ Kommunikation zwischen verschiedenen Stellen, regelmäßiger Austausch, Rahmenbedingungen dafür schaffen: Kurze Wege, ein gemeinsames Dach für die verschiedenen agierenden Behörden – kurze Wege → Synergieeffekte, z. B. wie in Hamburg).

  • „Systemfehler“ gemeinsam angehen (Langwierigkeit von Verfahren, Wartezeiten bei Verfahren sinnvoll und zielgerichtet nutzen können, z. B. Sprache und Berufspraxis, „passgenaue“ Erstberatungen).

  • Sprache und Berufspraxis (Herausforderungen und Barrieren sind fehlende fachspezifische Sprache, fehlende Berufspraxis oder fehlende Nachweise dafür)

  • Innovationsschub: Entwickelte, erprobte und etablierte Instrumente und Verfahren, wie z. B. Qualifikationsanalysen/Kompetenzfeststellungsverfahren stärken, ausbauen → könn(t)en auf andere Gruppen/Ebenen angewendet werden.

  • Ganzheitliche Beratung, nicht nur mit Blick auf das Nadelöhr Berufsanerkennung: Anerkennung ist nicht immer die Patentlösung – es sollten auch alternative Wege in Betracht gezogen werden. Manchmal gibt es keinen anerkennungsfähigen Referenzberuf, aber andere Möglichkeiten der Weiterqualifizierung, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Sowohl die Industrie- und Handelskammer als auch die Handwerkskammer sehen probleme und Herausforderungen darin, dass es zum einen Berufe gibt, die nicht eindeutig in Handwerk oder Industrie eingeordnet werden können. Ein wichtiger Aspekt ist, dass das duale Ausbildungssystem in Deutschland fast einmalig ist; in anderen Ländern ist die Ausbildung entweder akademisch oder sehr schulisch und oft fehlen den hier ankommenden Menschen Praxiserfahrungen. Das Matching zwischen Ausbildungssuchenden und Unternehmen ist herausfordernd – ein großes Problem ist die berufsbezogene Sprache/das Fachdeutsch. Außerdem sind die Unterlagen der Antragstellenden oft unvollständig, manche Nachweise können nicht erbracht werden.

Seitens des LAGeSo werden die Menge der Anträge (in 2018 ca. 2000 Anträge, akademisch und nicht-akademisch) und die nicht ausreichenden personellen Kapazitäten der Behörde zur Bearbeitung der Verfahren thematisiert. Die Verfahren dauern insgesamt zu lange; erst wenn alle Unterlagen vorliegen, kann die Gleichwertigkeitsprüfung beginnen und diese benötigt Zeit. Bei der ZAB ist eine Gutachterstelle für Gesundheitsberufe eingerichtet worden, der Aufbau der Stelle dauert jedoch länger als gedacht und sie kann daher noch nicht die Expertise leisten, die sie soll. Reinhard Selka von Pankow Hilft kritisiert ebenfalls die Dauer der Verfahren und dass die Betreuung von Personen nicht systematisch erfolgt.

Viele Prozesse greifen nicht ineinander – dadurch wird Zeit verschwendet, weil gewartet werden muss, in der Zeit könnten aber ggf. schon Weiterqualifizierungen stattfinden. Es fehlen Bildungsdienstleister im Bereich Fach-Deutsch und zur spezifischen (Weiter-) Qualifizierung. Ein Kritikpunkt ist auch, dass nur Berufsabschlüsse, die im Ausland erworben worden sind, unter das Gesetz (BQFG) fallen. Oft führt das dazu, dass Potenziale verschenkt werden, weil viele Antragsteller* innen nicht so lange durchhalten.

Gute Erfahrungen hat die Handwerkskammer bei der erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem BQ-Portal gemacht: https://www.bq-portal.de/ Hier werden Ausbildungssysteme und -abschlüsse sowie Lehrpläne aufgelistet, die als Grundlage für Anerkennungsverfahren dienen können.

Ein weiteres Best Practice Modell ist ein alternatives Kompetenzfeststellungsverfahren mit dem Instrument der Qualifikationsanalyse, welches vom BMBF, dem Dachverband der Industrie und dem Dachverband des Handwerks gemeinsam entwickelt wurde; hierbei kann das, was auf dem Papier steht, durch eine Arbeitsprobe und/oder ein Fachgespräch verifiziert werden. Ein Vorteil ist, dass das Instrumentarium auch auf nicht-formelle Qualifikationen angewendet werden kann und so non-formales Lernen validiert werden kann – eine gesetzliche Grundlage dafür wird noch erarbeitet. Es lässt sich außerdem feststellen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Jobcentern und HWK/IHK gut verläuft: Die Jobcenter übernehmen in der Regel die Gebühren für Anerkennungsverfahren und auch Anpassungsqualifizierungen.

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