Schriftliche Anfrage: Skandalöse Geschäftemacherei bei der Unterbringung von Flüchtlingen – was tut der Senat?

In Berlin werden Asylbegehrende immer wieder auch in Hostels und vergleichbaren Objekten untergebracht. Diese unterliegen jedoch nicht den in Berlin geltenden Qualitätsanforderungen an vertragsgebundene Gemeinschaftsunterkünfte, da es sich um Privatbetriebe des Hotelgewerbes handelt. Das LAGeSo überprüft diese Beherbergungsbetriebe nicht und nimmt Missbrauch und menschenunwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in Kauf.

 

Das Druckdokument zur Schriftlichen Anfrage "Skandalöse Geschäftemacherei bei der Unterbringung von Flüchtlingen – was tut der Senat?" (17/15460) finden Sie hier.

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:   

1. Warum ist eine Begehung der Flüchtlingsuntebringung eines Hostel-Betreibers in der Karl-Marx-Straße in Neukölln durch das LaGeSo bisher noch nicht erfolgt, obwohl der Bezirk die zuständigen Stellen bereits am Anfang dieses Monats über die unhaltbaren Zustände informiert hat und wann ist eine Begehung geplant?

2. Sind für das LaGeSo die Überbelegung von Räumen, die Tatsache, dass einer Familie mit sieben Personen, davon 5 Kindern nur vier Betten, eins davon schadhaft, zur Verfügung gestellt werden, so dass sich die Kinder Betten teilen müssen, dass der Familie ein gemeinsames Essen am Tisch unmöglich ist, da nicht genug Stühle vorhanden sind, elektrische Installationen schadhaft und damit gefährlich insbesondere für Kinder sind, für 15 Personen jeweils nur eine Toilette und Dusche zur Verfügung stehen und die hygienischen Verhältnisse besorgniserregend sind, nicht ausreichende Gründe, um auf eine Meldung aus einem Bezirksamt umgehend zu reagieren?

3. Wird das LaGeSo Sorge dafür tragen, dass die zur Zeit 51 bei diesem Betreiber untergebrachten Menschen (zeitweilig waren es schon 65) eine angemessene Unterkunft erhalten, wenn ja wann?

4. Welche Entgelte erhielt der Betreiber für die Unterbringung der Flüchtlinge? Welche Möglichkeit der Rückforderung besteht für eine derart unangemessene Unterbringung?

5. Wird das LaGeSo diese Unterkunft weiter belegen, nachdem die Zuverlässigkeit des Betreiber doch sehr in Frage steht?

6. Wie will das LaGeSo sicherstellen, die Unterbringung von Flüchtlingen auch bei anderen privaten Anbietern ordnungsgemäß erfolgt? Welche Kontrollen erfolgen in welchen Abständen?

Zu 1. bis 6.: Die Unterbringung von Asylbegehrenden in Hostels oder ähnlichen Beherbergungsbetrieben erfolgt nur im Ausnahmefall, wenn auf Grund hoher Zuzugszahlen zum Zeitpunkt der Vorsprache keine freien Kapazitäten in Aufnahmeeinrichtungen nach § 44  Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) verfügbar sind und nur auf diese Weise die Obdachlosigkeit der betroffenen Personen vermieden werden kann. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales
(LAGeSo) nutzt dieses Instrument grundsätzlich nur für eine kurzfristige Übergangszeit, bevor die  Asylsuchenden in eine Aufnahmeeinrichtung umziehen können.

Da es sich bei Hostels und vergleichbaren Objekten nicht um vertragsgebundene  Gemeinschaftsunterkünfte handelt, die den in Berlin geltenden Qualitätsanforderungen unterliegen, sondern um Privatbetriebe des Hotelgewerbes, sind, anders als bei Gemeinschaftsunterkünften, keine anlassunabhängigen Begehungen durch das LAGeSo vorgesehen. Dessen ungeachtet unternimmt das LAGeSo alle gebotenen Anstrengungen, um eine menschenwürdige und bedarfsgerechte Unterbringung auch in Hostels oder ähnlichen Beherbergungsbetrieben zu gewährleisten, und geht insbesondere konkreten Hinweisen auf gravierende Unzulänglichkeiten schnellstmöglich nach.

Zu der Nutzung des in der Frage zu 1. genannten Hostels wird Folgendes ausgeführt: In dem in Rede stehenden Haus nutzt das LAGeSo seit Dezember 2013 Platzkontingente für die vorübergehende Einquartierung von Asylbegehrenden. Mit dem Betreiber wurde ein Tagessatz in Höhe von 25,00 Euro pro Person (exklusive Vollverpflegung) vereinbart.

Das LAGeSo erhielt erstmals am 12.01.2015 durch das zuständige Bezirksamt von Neukölln Kenntnis über vermeintliche Missstände bei der Unterbringung von Asylbegehrenden in diesem Hostel. Daraufhin wurde als Sofortmaßnahme ein vorläufiger Belegungsstopp bis zur abschließenden Aufklärung des Sachverhalts verfügt und der für Soziales zuständige Bezirksstadtrat wurde um die Übersendung des Protokolls über den vom Bezirksamt am 07.01.2015 durchgeführten Ortstermin gebeten, damit das LAGeSo in die Lage versetzt wird, die Entscheidung über eventuell gebotene Maßnahmen auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse und einer fundierten Faktenlage vorzunehmen. Dieses Protokoll ging beim LAGeSo am 20.01.2015 ein. Die Auswertung gab Veranlassung zu einer eigenen Begehung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LAGeSo, welche zu Beginn der sechsten Kalenderwoche 2015 stattfand. Zuvor war bereits das Bezirksamt über das geplante Vorgehen durch das LAGeSo unterrichtet worden.

Im Ergebnis dieser Überprüfung vor Ort wurde im Wesentlichen festgestellt, dass offenbar eine Nutzungsgenehmigung für Unterbringungszwecke lediglich für die ersten beiden Stockwerke des Hinterhauses erteilt worden ist, in den übrigen Gebäudeteilen wird die Nutzung für Unterbringungszwecke von der zuständigen Ordnungsbehörde lediglich geduldet. Ferner wurde festgestellt, dass die Möglichkeit zur Zubereitung eigener Speisen in eingeschränktem Umfang besteht und die Ausstattung der Zimmer grundsätzlich für eine vorübergehende Unterbringung als ausreichend erachtet werden kann.

Gleichwohl entschied das LAGeSo - vorrangig auf Grund der unzureichenden Dokumentation über die erforderlichen ordnungsbehördlichen Genehmigungen -, dass die in diesem Hostel untergebrachten Asylsuchenden kurzfristig in andere Unterkünfte verlegt werden sollen.
Die Verlegung begann am 04.02.2015 und wurde am 05.02.1015 abgeschlossen. Ob dieses Haus zukünftig erneut für die vorübergehende Unterbringung von Asylbegehrenden in Betracht kommt, hängt maßgeblich von der Vorlage der erforderlichen ordnungsbehördlichen Genehmigungen sowie einer erneuten Begehung ab und setzt insbesondere voraus, dass das LAGeSo keine Anhaltspunkte für unzumutbare Unterbringungsbedingungen in diesem Haus feststellen sollte. Das LAGeSo prüft derzeit weiterhin, ob und ggf. in welcher Höhe Rückforderungen gegenüber dem Betreiber geltend zu machen sind.


Berlin, den 17. Februar 2015
 
In Vertretung

Dirk  G e r s t l e
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Senatsverwaltung für
Gesundheit und Soziales

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Feb. 2015)

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