Rede bezüglich der mangelnden Bedeutsamkeit die die Koalition dem Posten des Integrationsbeauftragten beimisst

Anstatt einen Vollzeit-Integrationsbeauftragten zu ernennen, der sich um die dringend notwendigen Fortschritte im Bereich der Integrationspolitik kümmern kann, beschränkt sich die Koalition darauf, einem Abteilungsleiter den zusätzlich Posten des Integrationsbeauftragten zu erteilen. Dies entspricht in keiner Weise den Bedürfnissen Berlins! Diese Entmachtung des Integrationsbeauftragten, die durch den Wunsch der CDU zustandekam, können wir nicht hinnehmen. 

Rede im Berliner Abgeordnetenhaus, 30. August 2012
(Videomitschnitt des Rbb)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Unser Antrag, den Integrationsbeauftragten zu erhalten, ist von der Koalition im Ausschuss abgelehnt worden. Berlin wird nun zukünftig eine Abteilungsleiterin oder einen Abteilungsleiter haben, die oder der im Briefkopf zusätzlich „Integrationsbeauftragte“ heißt. So sieht rot-schwarze Partizipationspolitik aus.

Berlin war Vorbild. 1981 wurde bundesweit in Berlin die erste Ausländerbeauftragte berufen. 30 Jahre später ist Berlin wieder Vorreiter, dieses Mal jedoch im negativen Sinn. Berlin degradiert die Integrationsbeauftragte zu  einem Abteilungsleiter oder einer Abteilungsleiterin. Die relative Unabhängigkeit, die jeden Beauftragten zum Beauftragten macht, ist beseitigt worden. 

Auch wenn das immer wieder von der Koalition beteuert wird: Es bedeutet keine Aufwertung der Beauftragtenstelle, wenn man noch die Verwaltung einer Abteilung dazu packt. Abteilungsleitung bedeutet Personalführung, Umsetzung der Gesetze der Verwaltungsreform und des Tarif- und Dienstrechts, Haushaltswesen. Da wird die Beauftragtentätigkeit zur Nebenbeschäftigung.

Das Partizipations- und Integrationsgesetz schreibt eine Integrationsbeauftragte vor, ist aber in der Beschreibung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen vage genug, sodass diese Funktion künftig von einer Abteilungsleiterin mit übernommen werden kann, ohne dass das einen Gesetzesverstoß darstellen würde. Gummiparagrafen nennt man das. Der rot-rote Senat hat sich alle Hintertüren offengehalten. Hier fehlen konkrete Partizipationsmöglichkeiten der Migranten und Migrantinnen.  Dem Gummiparagrafen des Partizipations- und Integrationsgesetzes ist es auch zu verdanken, dass der neu gewählte Migrationsbeirat bisher erst einmal getagt hat. Er hat sich konstituiert und ist nun lahmgelegt, weil es keine weiteren Termine gab.

In der kommenden Woche wird er zur Besetzung der Beauftragtenstelle angehört. Hören dürfen die Mitglieder dann, was da verkündet wird, aber es ist in keiner Weise konkretisiert, was diese Anhörung bedeutet, ob und wie der Beirat die Stellenbesetzung auch mitbestimmen darf. Partizipation sieht für uns Grüne anders aus.

Zum 1. Juli hätte die Stelle des Leiters bzw. der Leiterin der Abteilung III der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen besetzt werden sollen. Nun wird sie auch zum 1. September noch nicht besetzt sein. Wieder wird wertvolle Zeit verplempert.

Diese Stadt ist eine integrationspolitische Baustelle. Wir haben seit 2007 ein Integrationskonzept für diese Stadt mit einem Integrationsmonitor, dessen Umsetzung nicht einmal begonnen wurde. Kein einziges der Probleme bei der Erhebung der Zahlen – sei es ein technisches, ein verwaltungsmäßiges oder ein Problem des Datenschutzes – ist bisher angegangen worden, und das, obwohl die Fragen zu den Kriterien der Datenerhebung, etwa die Definition des Migrationshintergrundes, schon bei der Erarbeitung des Konzeptes diskutiert worden sind.

Und was ist mit dem Integrationsgesetz? – Während sich der Senat immer noch für dieses Gesetz rühmt, haben andere Bundesländer längst weitergehende Regelungen. Was ist umgesetzt worden? Wie haben sich die Teilhabe und die Chancengleichheit verbessert? – Die Bilanz sieht dürftig aus. Wahrscheinlich wurde nicht einmal Bilanz gezogen.

Wir erleben den zweiten Sommer, dass Romafamilien erst von kriminellen Vermietern zu Wuchermieten gezwungen und dann von Sicherheitsdiensten auf die Straße geräumt werden. Es handelt sich um Menschen, die hier gemeldet sind, deren Kinder hier zur Schule gehen, die aber für sich keine deutschen Mietverträge einfordern können. Wird Ihr Abteilungsleiter diesen Menschen, die jetzt wieder in Parks wohnen, weil sie sich angeblich nicht helfen lassen wollen, eine Stimme geben? Wird er oder sie endlich eine Romastrategie entwerfen, in der das Wohnungsproblem erwähnt wird? Wo bleibt hier die Prävention gegen Diskriminierung und Gewalt, die der bzw. die Beauftragte leisten soll?

So wird der Plan aus Ihrer Koalitionsvereinbarung, Berlin zur europäischen Integrationsmetropole zu machen, wieder nur eine leere Versprechung auf dem Papier bleiben. Wir brauchen eine richtige Beauftragte bzw. einen richtigen Beauftragten, der oder die die Integrations- und Migrationspolitik dieser Stadt voranbringt.

Wir müssen die Stelle endlich besetzen, und wir brauchen eine aktive Partizipationspolitik. 

 

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