Rede zum Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen - 2. Lesung

Rede im Abgeordnetenhaus, 30.01.2014, 42. Sitzung. (Videomittschnitt des rbb)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen undHerren! Mit dem Anklang hält es sich ziemlich in Grenzen. Das Berliner Gesetz zur Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse kommt nicht nur spät, sondern es geht auch an der Zielgruppe vorbei, die es erreichen sollte. Berlin war verpflichtet, das Bundesgesetz umzusetzen und hat das getan wie eine faule Schülerin, die ihre Hausaufgaben macht – nur das Nötigste und natürlich auf dem letzten Drücker.

Für die meisten Berufe gilt das Gesetz in Berlin nämlich weiterhin nicht. Berufe, für die das neue Anerkennungsgesetz gilt, lassen sich an einer Hand abzählen. Wenn Sie es durchblättern, werden Sie sehen –ist ausgeschlossen, ist ausgeschlossen, ist ausgeschlossen.Wir haben damit einen völlig unübersichtlichen Flickenteppich an Zustän-digkeiten und Geltungsbereichen. Am ärgerlichsten aber ist, dass das Berliner Gesetz für die Menschen, die unter ihrer Qualifikation arbeiten und durch die Anerkennung der mitgebrachten Berufsabschlüsse eine neue Perspektive bekommen sollten, überhaupt nicht ausgelegt ist. Der Berliner Senat hat ein Gesetz nur für Menschen im Leistungsbezug vorgelegt. Die vielzitierten Reinigungskräfte, Taxifahrer, Kassiererinnen, sie alle müssen die mit ihrer Anerkennung verbundenen Kosten inklusive Verdienstausfall während einer Nachqualifikation alleine tragen. Wer soll das schaffen? Wer lässt sich darauf ein, wenn eine Familie vom Einkommen abhängig ist, wenn am Ende der Anerkennung vielleicht nur ein Jöbchen als Vertretungslehrerin auf der Basis von PKB-Mitteln steht? –Da kann man doch nur abraten.

Die Arbeitssenatorin hat uns im Ausschuss erklärt, dass bisher überwiegend Menschen aus dem Leistungsbezug Anträge auf Anerkennung gestellt haben. Das mag sein. Das wird aber vor allen Dingen auch so bleiben, da es in Berlin, anders als in Hamburg, kein Stipendienprogramm für Antragstellerinnen und Antragsteller gibt, die schon berufstätig sind. Sie werden in Berlin weiter bei Menschen, die in der Türkei Biolehrer waren, ihr Essen serviert bekommen, und ihr Taxi wird von einer brasilianischen Diplom-Linguistin gefahren werden. Unter der Idee, dass Sie irgendwie den Bedarf von Leuten mitbekommen, die nicht im Leistungsbezug stehen und trotzdem ihre Qualifikation anerkannt bekommen möchten, kann ich mir überhaupt nichts vorstellen. Menschen, die jetzt schon arbeiten, die es geschafft haben, ihren Lebensunterhalt hier zu verdienen, werden sich, bevor sie in das Anerkennungsverfahren gehen, sehr genau überlegen, ob sie sich das leisten können. Die werden sich das durchrechnen, die werden von Anfang an gar nicht ankommen. Die sind doch nicht dumm und laufen da hin und stellen fest: Oh, Mist! Das wird ja teuer, das lass ich lieber bleiben. Was Sie gemacht haben, ist: Sie stellen keine Gelder zur Verfügung, die Menschen werden keine Anträge stellen, und Sie werden sich in vier Jahren hinstellen können und sagen, es sind nur Leute im Leistungsbezug, wir brauchen kein Stipendienprogramm.

Die Gelder für dieses Stipendienprogramm sind nirgendwo eingestellt. Wie wollen Sie nachsteuern, wenn sich doch jemand traut zu kommen und sagt: Ich will zwar, ich kann es mir aber nicht leisten. Sorgen Sie mal dafür! – Wer macht das, und wie wollen Sie das bezahlen?

Die Evaluation für das Gesetz ist erst in vier Jahren vorgesehen. Mit Zeit geht der Senat großzügig um, das haben wir schon bei der Vorlage des Gesetzes gesehen. Vor allen Dingen dann, wenn es um die Zeit der anderen geht. Die Zeit der Betriebe, die auf Fachkräfte warten, die Zeit der Schulen, die auf Lehrer warten, die Zeit der möglichen Antragsteller und Antragstellerinnen.

Wir werden daher von Anfang an und kontinuierlich nachfragen, wie es mit der Umsetzung aussieht, denn zu dem halbherzigen Gesetz kommt offenbar eine Verwaltung, die dann auch noch ab und zu in Ihrem Sinne nachsteuert. Menschen, die ihren Abschluss als Lehrerin, als Lehrer anerkannt haben wollten, mussten bisher in Berlin als Voraussetzung für die Antragstellung einen Aufenthaltstitel für zwei Jahre nachweisen. Das war im Gesetz so nicht vorgesehen. Diese Verwaltungspraxis muss nun korrigiert werden, nachdem wir das im Ausschuss moniert haben. Hier waren irgendjemandem die Regelungen offensichtlich nicht strikt genug gewesen – oder wie erklärt sich sonst eine solche vom Gesetz abweichende Praxis?

Wir erwarten von den politisch Verantwortlichen, dass sie ihre Verwaltungenanhalten, Gesetze ihrem Sinn entsprechend umzusetzen. Alles in allem: Kein toller Start in Berlin für das Anerkennungsgesetz, aber immerhin liegt jetzt etwas vor. Wir werden zustimmen im Sinne derjenigen, die sich nun endlich auf den Weg machen können, Anträge auf Anerkennung zu stellen

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