Bericht aus der Landesarbeitsgemeinschaft der Grünen Christ_innen von Christian Kölling

Über den Krieg in Syrien und insbesondere die Situation der christlichen Bürger_innen sowie der Flüchtlinge, berichtete am 20.6.2013 Pater Alexius Chehadeh, Priester der Griechisch-Orthodoxen-Kirche in Antiochien.

Mit der Jasminrevolution in Tunesien im Dezember 2010 und den folgenden Erhebungen in Algerien und Ägypten im Januar 2011 sind die Machtverhältnisse in der gesamten Arabischen Welt wie bei einem Domino-Effekt in Bewegung geraten. In der syrischen Hauptstadt Damaskus gab es Mitte März 2011 erste Protestdemonstrationen gegen die Herrschaft von Präsiden Baschar al-Assad. Sie eskalierten rasch zu einem bis heute anhaltenden Bürgerkrieg.  

Nach UN-Schätzungen sind schon mehr als 93.000 Menschen getötet worden. Millionen Menschen sind in die Nachbarländer Türkei, Libanon, Jordanien und Irak geflohen. Am Rande des G8-Gipfels im nordirischen Enniskillen kündigte  Bundeskanzlerin Merkel an, dass die Bundesregierung die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge noch in diesem Jahr um 200 Millionen Euro erhöhen werde. Die Lage der Menschen nannte sie "dramatisch". Drei Viertel der Flüchtlinge sind nach Angaben der UN-Flüchtlingshilfe Frauen und Kinder.

Auf internationaler Ebene eskaliert der Konflikt um Syrien: Russland und China unterstützen die Regierung Assad weiter. Schon drei Mal legten beide Staaten im UN-Sicherheitsrat ihr Veto gegen Sanktionen ein. Die USA, Großbritannien und Frankreich erklärten, dass ihnen Beweise für den Einsatz von tödlichem Giftgas gegen Gegner des Assad-Regimes vorlägen. Zumindest die USA wollen die Aufständischen deshalb jetzt mit Waffen ausrüsten. Die Bundesregierung folgt dem Kurs Frankreichs und Großbritanniens nicht. Merkel erklärte in einem RTL-Interview: "Wir beteiligen uns auf gar keinem Fall an Waffenlieferungen, die tödliche Auswirkungen haben". Es gebe in Syrien schon sehr viele Waffen. Sie räumte zudem große Differenzen in der EU ein und forderte, Russland bei der Suche nach einer Friedenslösung einzubeziehen.

Die Bedeutung der christlichen Minderheit in Syrien, die Ende des ersten Weltkriegs noch fast ein Viertel der Bevölkerung ausmachte, ist nach Einschätzung von Pater Alexius schon seit langem rückläufig. Eigentlich wolle die christliche Minderheit eine Brücke zwischen Orient und Okzident sein, tatsächlich fände sie sich aber häufig zwischen allen Stühlen wieder. Jahrhunderte lang hätten Christen und Moslems im Nahen Osten wie selbstverständlich friedlich zusammen gelebt. Die Notwendigkeit, in Abgrenzung zu  anderen Religionsgemeinschaften sich öffentlich zu einer Konfession zu bekennen, habe es früher nicht gegeben.

Die Situation in Syrien ist heute schwierig und erfordert einen diffenrenzierten Dialog. Das wird auch in dieser Diskussion deutlich, denn als Pater Alexius  sich gegen die Ausweisung des syrischen Botschafters aussprich, erhält es dafür zunächst deutliche Kritik von einigen syrischen Oppositionellen. Die Ausweisung des Botschafters sei richtig gewesen, weil er Spitzelberichte nach Damaskus gesendet habe, argumentieren sie. Die Berichte hätten zu Inhaftierungen und Folterungen in Syrien geführt. Pater Alexius verurteilt die Denunziationen und gibt den Oppositionellen recht, dass eine Ausweisung des Botschafters deshalb  natürlich gerechtfertigt gewesen wäre. Tatsächlich sei sie aber nicht wegen der Denunziationen erfolgt: Auch ein  Botschafter, der sich anständig gegenüber der Opposition verhalten häte, wäre ausgewiesen worden. Als syrischem Staatsbürger fehle ihm nach Schließung der Botschaft nun eine diplomatische Vertretung in Berlin. Allein deshalb lehne er die Ausweisung ab.

Größtenteils Zustimmung erhält Pater Alexius für seinen an alle Seiten gerichteten Appell, unverzüglich die Waffen niederzulegen und zu Friedensgesprächen zusammen zukommen. Die Rücktritts-Forderung der syrischen Oppossition an  Assad als Vorbedingung für Friedensverhandlungen sei allerdings illusorisch, da China und Russland bereits dreimal im UN-Sicherheitsrat mit ihrem Veto das Assad-Regime gestützt hätten und dies auch in Zukunft wieder tun würden.

Und was bedeutet die Diskussion für Bündnis 90/Die Grünen in Berlin?  Am Ende der gut zweistündigen Diskussion sind nicht nur die Notwendigkeit humanitärer Hilfe, die Fragwürdigkeit militärischer  Interventionen und die Hilflosigkeit internationaler Politik wieder einmal ausführlich debattiert worden. Ganz praktisch wurde die innerhalb der Berliner Grünen strittige Frage aufgeworfen, ob die christlichen Minderheiten in der Arabischen Welt als verfolgte Minderheiten wegen ihres Glaubens besonders schutzbedürftig sind. Wir sollten anerkennen, dass die Christ_innen in Syrien wegen ihres Glaubens zu Opfern von Diskriminierung werden - egal ob sie sich politisch engagieren oder nicht. Die Kritik, die wir Grünen an den großen und mächtigen christlichen Kirchen in Deutschland haben, hat mit den Menschen in Syrien nichts zu tun, die dort als Christ_innen eine religiöse Minderheit und kein Machtfaktor sind.


Christian Kölling

P.S.:  Um die verzweifelte Lage in den Flüchtlingslagern zu verdeutlichen wurde auch das zehnminütige Channel4-Video "Syria's women refugees fear sham marriages and rape" gezeigt.

www.channel4.com/news/syria-women-rape-marriage-refugee-camp-jordan

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