Meine Frage an Senatorin Regine Günther zu den Planungen der S 21 auf dem Gebiet des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma

In der Plenarsitzung vom 17.06.2021 habe ich mündlich bei Senatorin Regine Günther nachgefragt, wie der Beteiligungsprozess bei der Entscheidung zur Trassenführung für den Neubau der S21 gelaufen ist. Die neue Trasse wird nah am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma vorbeiführen und das hatte zu einem Diskussionsprozess geführt. Lesen Sie die ausführliche Antwort von Regine Günther.

Quelle: Plenarprotokoll der 81. Sitzung, S. 9488 ff.

 

Dr. Susanna Kahlefeld (GRÜNE): Wie waren die Vertreterinnen und Vertreter der Sinti und Roma bei der Findung einer Trasse für den Neubau der S 21 eingebunden, die das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma nicht beeinträchtigt?

Senatorin Regine Günther (Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf den Kern Ihrer Frage komme, lassen Sie mich noch drei Takte zu den Hintergründen der Debatte sagen. Das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Europa liegt im Herzen Berlins. Es liegt in Tiergarten, direkt gegenüber dem Reichstag. Es liegt in einem Gebiet, das hochfrequentiert ist, nicht nur oberirdisch, sondern auch unterirdisch durch die U 5, durch das neue Besucherzentrum, das gebaut wird, als auch durch den Tunnel, den es dann da geben soll.

Das heißt, wenn wir jetzt über den zweiten Bauabschnitt der S 21 sprechen, der jetzt trassiert werden soll vom Hauptbahnhof bis zum Potsdamer Platz, haben wir die Aufgabe, all die unterschiedlichen Interessen, die hier angesiedelt sind, zu berücksichtigen. Ich selbst habe im letzten Jahr zehn große bis kleinere Gesprächsrunden mit all diesen Interessen ins Leben gerufen. Lassen Sie mich, um Ihnen zu verdeutlichen, wie vielfältig das ist, die auch mal aufzählen: An erster Stelle war natürlich der Zentralrat für Sinti und Roma einbezogen. Dann hat sich ein Aktionsbündnis gegründet, das heißt „Unser Denkmal ist unantastbar“. Auch dieses war, nachdem es gegründet war, dabei. Es ist die Hildegard-Lagrenne-Stiftung. Es ist die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die hier auch tangiert ist. Es ist der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Es waren natürlich Mitglieder des Bundestages, Claudia Roth, Petra Pau, aber dann auch der Vorsitzende der Baukommission, Wolfgang Kubicki, in den Gesprächsrunden dabei. Es war die Vertretung für Staatsministerin Grütters dabei. Es war natürlich der Vertreter der Deutschen Bundesbahn dabei, als auch hier für unseren Senat als Vertretung von Senator Lederer die Senatsverwaltung für Kultur und Europa und das Bezirksamt Mitte.

Wir hatten einen immensen Prozess gestartet, um zu gewährleisten, dass alle mitsprechen können und dass alle ihre Anliegen mir gegenüber persönlich auch vortragen können. Ich glaube, es ist noch wichtig zu erwähnen, dass wir zwei Vorortbegehungen hatten, eine letztes Jahr und eine in dieser Woche, Vorortbegehungen mit Sinti- und Roma-Vertretern als auch mit Architekten und – ich komme gleich noch näher drauf – mit der Tochter von Dani Karavan. Wir haben aufgrund dieser Gespräche unsere ursprünglichen Planungen signifikant verändert. Ursprünglich war geplant, die Trasse neben dem Denkmal für Sinti und Roma entlangzuführen. Da kam es aber zu massiven Bedenken, weil, und das mussten wir schon zugestehen, wir nicht ganz sagen konnten, wie nah die S-Bahntrasse an das Denkmal ranreicht. Deshalb haben wir gesagt, wir verändern unsere Planung und machen jetzt ein sehr aufwendiges Verfahren, so wie wir es auch bei der U 5 gemacht haben, wie wir es bei der Museumsinsel gemacht haben, indem wir den Grund vereisen. Wir führen die Trasse jetzt vor dem Denkmal unter das Denkmal, führen dann eine Vereisung durch, unterqueren das Denkmal und kommen auf der anderen Seite wieder raus.

Es blieben trotzdem Fragen, einerseits, was macht man mit dem Versorgungsschacht? Sie wissen, das Denkmal besteht aus einem Wasserbassin mit einer Wildblume in der Mitte, die täglich gewechselt wird, um das schlagende Herz zu symbolisieren. Die Bitte war, an keinem einzigen Tag darf der Wechsel der Blume durch den Versorgungsschacht, der jetzt im Weg ist für die S-Bahn, unterbrochen werden. Das können wir jetzt garantieren. Wir haben die letzten Monate daran gearbeitet, dass wir den Schacht so verlegen, dass die Wildblume immer jeden Tag erneuert werden kann.

Zu der beschriebenen Variante: Am Rande sind sieben Bäume, die, wenn wir die S-Bahn wieder hochkommen lassen, sehr wahrscheinlich gefällt werden müssen. Da ist jetzt die Frage zu klären: Wie kann man einen Sichtschutz für die Zeit der Bauarbeiten gewährleisten, und wie können wir möglichst schnell diese Bäume wieder ersetzen? Da sind wir jetzt in der Prüfung. Die Deutsche Bahn sagt, dass sie noch niemals in den Vorplanungen einen so umfassenden Beteiligungsprozess erlebt hat, wie wir ihn gerade durchführen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dr. Susanna Kahlefeld (GRÜNE): Ich würde gerne ganz besonders danach fragen, wie die Kommunikation mit dem Architekten, mit Dani Karavan, der unlängst gestorben ist, bzw. mit seiner Tochter, der dieses Denkmal entworfen hat, gelaufen ist, denn er spielt auf jeden Fall eine große Rolle in der Frage.

[Zuruf von der AfD: Haben wir nichts Wichtigeres zu tun?]

Senatorin Regine Günther (Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz): Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Das ist in der Tat ein wichtiges Element in der gesamten Diskussion. Ich selbst habe Dani Karavan im Juni letzten Jahres brieflich informiert, dass diese Diskussion läuft und auf welchem Stand wir sind. Als die Diskussion dann weiter fortgeschritten ist, haben wir mit Dani Karavan im Dezember 2020 eine Videokonferenz zusammen mit allen Sinti- und Roma-Vertretern gehabt, zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Bundestages und vielen, die ich gerade aufgezählt habe. Wir haben ihm beschrieben, wo wir stehen. Wir haben ihm zugesichert, dass wir ihn einladen. Leider konnte das nicht mehr realisiert werden. Sie haben es erwähnt. Dani Karavan ist vor vier Wochen leider verstorben. Aber seine Tochter, Noa Karavan, war von Anfang an in die Gespräche einbezogen. Sie hat dann dankenswerterweise gesagt, dass sie nach Berlin kommt, um sich vor Ort das Mahnmal anzusehen. Sie war in dieser Woche von Samstag bis heute in Berlin. Heute fährt sie ab. Wir haben intensive Gespräche geführt und eine Begehung gemacht. Senator Lederer hat sie in dieser Woche auch getroffen. Wir haben dafür gesorgt, dass auch andere im Senat Gespräche führen konnten. Wir haben sehr umfangreich gewährleistet, dass sie die Diskussion und auch den Ort kennenlernt.

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