Meine Rede zum Antrag: Verfassungsgemäße Überarbeitung des sogenannten „Neutralitätsgesetzes“ und „Gesetz zur Änderung des Neutralitätsgesetzes"

In meiner Rede betone ich die dringende Notwendigkeit einer Reform des Neutralitätsgesetzes in Berlin. Seit 2015 weigern sich die Berliner Bildungsbehörden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, und haben stattdessen politische Überzeugungen über die höchstrichterliche Entscheidung gestellt. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet zwischen der persönlichen religiösen Identität von Lehrkräften und ihrer Pflicht zur Neutralität im Dienst. Solange Lehrkräfte nicht aktiv versuchen, Schülerinnen und Schüler zu beeinflussen, soll ihre religiöse Identität nicht beeinträchtigt werden. Deshalb fordere ich die Abschaffung bestimmter Abschnitte des Neutralitätsgesetzes, die die Kleidung und Symbole religiöser Lehrkräfte im Dienst regeln. Daher ist es sehr wichtig, dass wir in Berlin mehr Diversität im Lehrpersonal fördern, um mehr Aufmerksamkeit auf Diskriminierung lenken zu können.

 

Sehen Sie hier meine Rede im Video-Mitschnitt des rbb.

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem, was ich gerade gehört habe, denke ich, dass wir erst mal einen gründlichen Lektürekurs vor der Diskussion im Ausschuss voranstellen sollten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Heiko Melzer (CDU): Sie waren ja nicht da!]

Seit 2015 weigern sich wechselnde SPD-Bildungssenatorinnen und -senatoren, das Urteil des obersten Gerichtes in Deutschland, des Bundesverfassungsgerichts, umzusetzen. Sie haben, gestützt auf ihre jeweiligen Fraktionen, ihr Ressentiment über die höchstrichterliche Entscheidung gestellt und sämtliche Verfahren in der Sache verloren. 2020 wurde schließlich eine Verfassungsbeschwerde Berlins gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen, und damit waren wir endlich am Ende der Fahnenstange angekommen. Damit war klar: Urteile aus Karlsruhe gelten auch in Berlin, gelten auch für die SPD-geprägte Bildungsverwaltung und auch für eine CDU-geprägte Bildungsverwaltung.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Elif Eralp (LINKE)]

Worum geht es dabei? – Die Karlsruher Richterinnen und Richter machen einen Unterschied zwischen einer Person, die sich durch Kleidung religiös zu erkennen gibt, und der gebotenen Neutralität, mit der sie ihre Arbeit an der Schule verrichtet. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Solange die Lehrkräfte nicht verbal für ihre Position oder für ihren Glauben werben und die Schülerinnen und Schüler zu beeinflussen versuchen, wird deren negative Glaubensfreiheit nicht beeinträchtigt. Die Schülerinnen und Schüler werden lediglich mit der ausgeübten positiven Glaubensfreiheit der Lehrkräfte konfrontiert, was im Übrigen durch das Auftreten anderer Lehrkräfte in aller Regel relativiert wird. 

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Ja, viele in der Stadt wünschen sich, dass das sogenannte Neutralitätsgesetz im Ganzen gestrichen wird. Für uns aber haben Rechtssicherheit und Schulfrieden Vorrang, und wir fordern, dass Sie das Karlsruher Urteil zu Lehrkräften, die sich religiös erkennbar geben, eins zu eins umsetzen. Das bedeutet: Wir fordern die Abschaffung der §§ 2 und 3.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ihr Ausweichmanöver, mithilfe des unklaren Begriffs „Schulfrieden“ sich auch weiterhin über die Karlsruher Urteile hinwegzusetzen, wie es derzeit im Rundschreiben der Schulverwaltung geschieht, lehnen wir ab. Jeder Konflikt kann dazu führen, dass den Lehrkräften das Recht, Kopftuch zu tragen, wieder genommen wird, sei es im Lehrerzimmer – wir kennen schon jetzt die Fälle von Diskriminierung von Referendarinnen durch Kolleginnen und Kollegen –, sei es durch Eltern, die Ärger anzetteln wollen, weil ihnen Musliminnen, Zuwanderung insgesamt oder eine einzelne Lehrerin nicht passen. Mit dem Versuch, das Verbot von Kopftüchern bei Lehrerinnen unter dem Begriff „Schulfrieden“ zu bewahren, tragen Sie Ihre koalitionsinternen Konflikte in unsere Schulen, und das ist Gift für unsere Schulen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Elif Eralp (LINKE) und Anne Helm (LINKE)]

Neutralität heißt nicht – und das ist der Kern des Karlsruher Urteils –: Glaube, was du willst, aber ich will es nicht sehen müssen. – Dieser Schrumpfsäkularismus, der Religion aus der Öffentlichkeit verdrängen will, hat in Berlin unter etlichen Steinen überwintert, von denen die dicksten bei den SPD-Schulsenatorinnen und -senatoren lagen.

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE) – Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Es ist Zeit, sich von diesem Säkularismus zu herabgesetzten Preisen zu verabschieden. Das Gewimmel unter den Steinen darf nicht weiter auf unsere Schulen losgelassen werden. Die §§ 2 und 3 müssen gestrichen werden. Die Schulen brauchen Rechtssicherheit. Wir hoffen, dass mit mehr sichtbarer Diversität in den Lehrerzimmern mehr Aufmerksamkeit auf Diskriminierung und damit mehr staatliche Neutralität in die Schulen Einzug hält. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von den GRÜNEN: Wuhuu!]

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