Schriftliche Anfrage und Kommentar "Problemhäuser" - was weiß, was tut der Senat?

Das Druckdokument zur schriftlichen Anfrage "Problemhäuser- was weiß, was tut der Senat?" (s17-13701) finden Sie hier.

Mein Kommentar zur Antwort des Senats: "Der Senat tut nichts, um die Vermietung unbewohnbarer Immobilien und die Abzocke in Bettenlagern zu unterbinden. Siehe Frage 6: Dort findet sich keine einzige Maßnahme dagegen. Statt dessen, sollen die Mieter*innen einen Wohnführerschein machen. Das hilft aber nicht gegen Schimmel an den Wänden und das Abkassieren der Mieten in bar, wie das in den "Schrottimmobilien" vorkommt. Das Wohnprojekt Hartzer Straße wird als beispielhaft angeführt. Dieses Projekt basiert aber darauf, dass die Besitzerin der Immobilie die Wohnungen sehr schön saniert hat, dass die Mieten erschwinglich sind, dass es keine Überbelegung gibt.  Das Problem sind Besitzer, die die Not der Menschen ausnutzen - und die werden sich die Hartzer Straße nicht zum Vorbild nehmen.
Gespannt bin ich auf das kombinierte Wohnprojekt in Partnerschaft mit der GEWOBAG, das in Antwort 8 genannt wird. Ob es das wirklich jemals geben wird? Und für wie viele Menschen?"

 

„Problemhäuser“ - was weiß, was tut der Senat?

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

1. Wie viele Häuser gibt es in der Stadt, die von den Bezirksämtern als so genannte „Problemhäuser“ eingestuft werden: Überbelegt, heruntergekommen und eigentlich unbewohnbar, vermietet ohne Mietverträge und/oder zu Wuchermieten? Bitte auflisten nach Bezirk, Eigentümer, Verwalter, vermuteter Anzahl der Bewohner*innen und seit wann die Problematik bekannt ist.

Zu 1.: Nachfolgend genannte Bezirke haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet:

Friedrichshain-Kreuzberg: Wohnhäuser wie in der obigen Anfrage beschrieben, sind im Bezirk nicht bekannt. Auch in der Beratung sind derartige Wohnverhältnisse bislang nicht thematisiert worden.

Lichtenberg: Im Bezirk gibt es zwei sogenannte Problemhäuser, die sich in einem heruntergekommenen, stark sanierungsbedürftigen Zustand befinden.

Mitte: Im Bezirk Mitte gibt es ca. 35 sogenannte Problemhäuser, die sich in einem heruntergekommenen, stark sanierungsbedürftigen Zustand befinden und von bulgarischen oder rumänischen Staatsangehörigen bewohnt werden. Fast alle bekannten Mieterinnen und Mieter verfügen über Mietverträge. Eine genaue Personenanzahl kann daher nicht benannt werden. Ferner ist bei der Durchsicht der vorgelegten Mietverträge festzustellen, dass zwar überhöhte Mieten, jedoch keine sogenannten Wuchermieten mehr vereinbart wurden. Des Weiteren gibt es Wohnobjekte, wo weder die zuständige Hausverwaltung noch die Eigentümerin oder der Eigentümer festzustellen sind, da die Mieterinnen und Mieter hier jeglichen Informationsfluss, meist aus Furcht andernfalls die Wohnung zu verlieren, unterbinden.

Neukölln: Es gibt gewisse Datenhäufungen bei einigen Anschriften, nicht immer mit unzumutbaren Wohnverhältnissen von außen, wie es den Bewohnerinnen und Bewohnern geht ist nicht immer bekannt (Wuchermieten,Wohnungszustand, etc.).

Reinickendorf: Hauptsächlich in Reinickendorf West sind vier Häuser als Problemhäuser lokalisiert. Bei einem Haus handelt es sich um Wohnungen der GEWOBAG, bei den anderen Wohnungen sind die Vermieterinnen und Vermieter/Eigentümerinnen und Eigentümer bisher nicht bekannt. Die Häuser sind belegt in einem Fall mit sechs Roma-Familien, in einem anderen mit mindestens 10 bulgarischen Familien und in einem weiteren Fall mit vier bis fünf Roma-Familien.

2. In welchen dieser Häuser werden die Bewohnern*innen sozial betreut, wo gibt es bezirkliche oder Projekte, die durch IntMig finanziert werden? Bitte nach Adresse und Art der Betreuung auflisten.

Zu 2.:Nachfolgend genannte Bezirke und die Mobile Anlaufstelle für Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter sowie Roma (Mobile Anlaufstelle) sowie Träger des bezirksorientierten Programms zur Umsetzung des Aktionsplans zur Einbeziehung ausländischer Roma haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet. Der Senat veröffentlicht jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht die ihm von den Bezirken oder der Mobilen Anlaufstelle übermittelten Anschriften:

Friedrichshain-Kreuzberg: Wohnhäuser wie in der obigen Anfrage beschrieben, sind im Bezirk nicht bekannt. Auch in der Beratung sind derartige Wohnverhältnisse nicht thematisiert worden.

Lichtenberg: Zwei Häuser werden von südost Europa Kultur über die Mobile Anlaufstelle sowie über das bezirksorientierte Programm begleitet.

Mitte: Die Mobile Anlaufstelle kennt die Häuser und unterstützt die Roma-Familien. Vereinzelt gehen Meldungen aus der Nachbarschaft zu entsprechenden Wohnungen ein, die dann mit Hilfe der Bau-und Wohnungsaufsicht überprüft werden. Gleichzeitig werden die Betroffenen gegebenenfalls erneut motiviert, die mietrechtlichen Beratungsangebote der Mobilen Anlaufstelle wahrzunehmen.

Neukölln: Über das bezirksorientierte Programm werden drei Häuser mit unterschiedlicher Intensität betreut. Es gab bereits drei Runde Tische für Nachbarschaftsdialoge sowie einen beim Quartiersmanagement Flughafenstraße, der nicht beim Bezirksamt angesiedelt war. Zudem wird Mietrechtsberatung durch Juristinnen und Juristen durch die Roma-Organisation Amaro Foro und durch das Nachbarschaftsheim Neukölln angeboten.

Reinickendorf: In vier Häusern werden die Familien unter anderem durch Familienhelferinnen und Familienhelfer der nichtstaatlichen Organisationen Südost Europa Kultur e.V. und Aufwind gGmbH betreut. Im Westen des Bezirks arbeitet der Träger Albatros unter anderem mit den bulgarischen-, rumänischen-sowie den Roma-Familien über das bezirksorientierte Programm als Kontakt- und Beratungsstelle. Zum 1.2.2014 wurde mit der GEWOBAG (Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin), dem Träger PHINOVE e.V., der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen- Die Integrationsbeauftragte des Senats- und dem Bezirk ein Partnerschaftsvertrag geschlossen zur Einbeziehung von Roma-Familien als Mieter.

Mobile Anlaufstelle: Die sogenannten Problemhäuser werden regelmäßig aufgesucht, um die betroffenen Mieterinnen und Mieter über ihre rechtlichen Ansprüche aufzuklären und ihnen bei der Bewältigung ihres Alltags und der Integration in gesellschaftliche und soziale Strukturenzu unterstützen. Nicht immer wird diese Hilfe in Anspruch genommen, vor allem fällt hierbei auf, dass mietrechtliche Auseinandersetzungen mit der Vermieterin oder dem Vermieter aufgrund der Furcht vor Verlust der Wohnung und der fehlenden Handlungsalternativen durch den besonders erschwerten Zugang dieses Personenkreises zum Wohnungsmarkt, vermieden werden. In Mitte gibt es zudem Konfliktinterventionen gegen Antiziganismus neben der aufsuchenden Familiensozialarbeit zweimal wöchentlich an mehreren Standorten und eine Erstberatung einschließlich juristischer Beratung in mietrechtlichen Angelegenheiten.

3. Wie viele Menschen waren in den letzten Jahren von der Vertreibung aus diesen Häusern betroffen und wo sind sie untergekommen bzw. wurden sie untergebracht?

Bitte für die letzten drei Jahre angeben.

Zu 3.: Nachfolgend genannte Bezirke und die Anlaufstelle haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet:

Mitte 2012: ein Haus mit ca. 60 Personen. Für einen Teil der Familien konnten der Bezirk sowie mit Unterstützung eines lokalen Sozialprojekts andere Wohnmöglichkeiten gefunden werden. Ein weiterer Teil (ca. 15–20 Personen) nächtigte vorübergehend auf dem Leopoldplatz. Dieser Personenkreis wurde durch die Mobile Anlaufstelle unterstützt. Über den weiteren Verbleib gibt es keine Informationen.

Mitte 2014: Eisfabrik Köpenicker Straße: Ca. 30 bis 50 Personen. Teilweise vorübergehende Unterbringung durch den Bezirk Mitte in Hostels. Für zwei Wöchnerinnen konnten durch die Mobile Anlaufstelle bzw. durch den Bezirk Wohnmöglichkeiten gefunden werden. Ein Teil der Personen hat die Beratungsangebote der Mobilen Anlaufstelle angenommen. Über den Verbleib der weiteren Personen ist hier nichts bekannt.

Neukölln: Hierüber sind keine Daten bekannt. Immer wieder verzieht eine Familie, die Gründe sind oftmals nicht transparent.

Reinickendorf: Mindestens vier Wohnungen in einem Haus in Reinickendorf West mussten in den letzten 18 Monaten von den dort zur Untermiete wohnenden Roma-Familien verlassen werden. Einige der Familien hatten Mietrückstände. Der ehemalige Vermieter hatte gegen die Familien geklagt. In Reinickendorf Ost wurden in den letzten 18 Monaten mindestens drei Wohnungen geräumt. Hier sind die Eigentümerinnen und Eigentümer nicht bekannt. Der Verbleib der Familien ist nicht bekannt.

Mobile Anlaufstelle: Im Jahr 2011 gab es im Bezirk Mitte die Räumung eines gesamten Hauses durch den Vermieter ohne zugrunde liegenden rechtskräftigen Räumungstitel. Durch die Tätigkeit der Mobilen Anlaufstelle sind in der Folgezeit derartige Räumungen unterbunden worden, da die Mieterinnen und Mieter sogenannte Problemhäuser von ihren Rechten in Kenntnis gesetzt wurden und bei Versuchen, sie ohne Räumungstitel aus ihren Wohnungen zu entfernen, sofort mit der Polizei und der Mobilen Anlaufstelle Kontakt aufnehmen. Auch im Fall rechtskräftiger Räumungstitel konnten mit Hilfe der Mobilen Anlaufstelle Ersatzwohnungen für die betroffenen Mieterinnen und Mieter beschafft werden, z.B. durch die Begründung neuer Mietverträge bei der privaten Aachener Siedlungs-und Wohnungsgesellschaft oder es konnten Einweisungen in Notunterkünfte über das Sozialamt erreicht werden. Auch hier ist die Angabe von Personenanzahlen nicht möglich.

4. In welchen dieser Häuser gibt es Kontakte der Ämter zu den Eigentümern bzw. Verwaltern?

Zu 4.: Nachfolgend genannte Bezirke haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet:

Neukölln: Dies erfolgt laufend, wenn Mieterinnen und Mieter sich bei der Wohnungsaufsicht melden und die Mängel nicht behoben worden sind. Diese sind jedoch einzelne Fallakten und werden nicht als Wohnanschrift geführt und statistisch nicht ausgewertet.

Reinickendorf: Mit der GEWOBAG.

5. Welche Versuche wurden von Seiten der Bezirksämter oder der zuständigen Stellen des Senates unternommen, um die Wohnverhältnisse in diesen Häusern zu verbessern? Wo waren sie erfolgreich? Woran sind sie ggf. gescheitert?

Zu 5.: Nachfolgend genannte Bezirke haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet:

Mitte: Siehe Antwort zu 1. und 2.

Neukölln: Die Bau-und Wohnungsaufsicht arbeitet in ihrer Zuständigkeit und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Oftmals fehlt es aber an der Durchsetzung durch die Mieterinnen und Mieter, da Mietrecht Privatrecht ist.

Reinickendorf: Siehe Antwort zu 1. und 2.

6. Was plant der Senat, um die „Vermietung“ von Immobilien, die eigentlich unbewohnbar sind, zu unterbinden und dieses Geschäftsmodell unmöglich zu machen?

Zu 6.: Am 29.1.2014 hat die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen im Rahmen der Abschlussveranstaltung des Modellprojekts „Maßnahmen zur Stärkung der Roma -Community in Berlin“ das Thema Wohnen als ein Schwerpunkt behandelt und unter Beteiligung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und mehreren Wohnungsbaugesellschaften folgende Empfehlungen entwickelt:

  • Initiierung von kombinierten Wohnprojekten nachdem Muster der Harzer Straße (langfristig Mischung der Bewohnerinnen und Bewohner), Förderung der Zusammenarbeit mit kundigen Trägern der Familien- und Sozialarbeit

  • Initiierung eines runden Tischs bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zum barrierefreien Zugang zu Wohnraum, der auch die Situationvon besonders benachteiligten Gruppen berücksichtigt

  • Vernetzung der Vermieterinnen und Vermieter über den BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V.

  • Sensibilisierung der Vermieterinnen und Vermieter zur Situation von Menschen in prekären Lebenslagen durch aktive Träger im Thema

  • Anreize für Vermieterinnen und Vermieter, damit auch Menschen in prekären Lebenslagen Zugang zu bezahlbarem und solidem Wohnraum erhalten (Vorbild: Anreize Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für Langzeitarbeitslose über die JobCenter und Arbeitsagenturen)

  • Wohnraumbetreuung und Sprachmittlung

  • Aufklärung zu Rechten und Pflichten von Mieterinnen und Mietern sowie Vermieterinnen und Vermietern (Beispiel „Wohnführerschein“ für junge Erwachsene)

  • Öffentlichkeitskampagne.

7. Welche Hilfen erhalten die Bewohner*innen, um ihre Situation zu verbessern?

Zu 7.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen- Die Integrationsbeauftragte des Senats -unterstützt zurzeit den Einsatz der Mobilen Anlaufstelle,des bezirksorientierten Programms und der Mietrechtsberatung Roma-Familien.

8. Gibt es in diesem Zusammenhang Gespräche mit den Landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften? Waren diese erfolgreich? Falls nein, warum nicht?

Zu 8.: Der Senat führt Gespräche mit landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Ein erstes Ergebnis ist die Partnerschaft mit der GEWOBAG zu einem kombinierten Wohnprojekt. Weitere Partnerschaften werden angestrebt.

Berlin, den 20. Mai 2014

In Vertretung
Barbara Loth
Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mai 2014)

« Zurück