Schriftliche Anfrage: Warum wurde die Arbeit gegen Antiziganismus aus der Aufgabenbeschreibung der LandesAntidiskriminierungsstelle gestrichen?

Das Druckdokument zur schriftlichen Anfrage "Warum wurde die Arbeit gegen Antiziganismus aus der Aufgabenbeschreibung der LandesAntidiskriminierungsstelle gestrichen?" (S17/17191) finden Sie hier.

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

1. Warum wurde die Arbeit gegen Antiziganismus aus der Aufgabenbeschreibung der LADS konsequent gestrichen? Warum wird der Begriff nicht mehr verwendet?

2. Warum wird der Begriff des Antisemitismus noch verwendet – der Begriff Antiziganismus aber soll – so die Auskunft im Ausschuss – im „Rassismus“ enthalten sein?

Zu 1. und 2.: Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Präventionsmaßnahmen der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (Antidiskriminierungsstelle) richten sich gegen jegliche Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) – auch gegen Antiziganismus. Derzeit umfasst das Analysekonzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit 12 Problembereiche (Syndrome). In der Kurzdarstellung von Programmen können nicht sämtliche GMF-Syndrome aufgezählt werden, weil dies zu schwer verständlichen Wortketten führen würde.

3. Wie schätzt der Senat die Situation der Roma-Minderheit hinsichtlich ihrer Gefährdung und Beeinträchtigung durch Antiziganismus auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung, in Schule und Ausbildung sowie auf Ämtern und Behörden ein?

Zu 3.: Verschiedene Studien und Erfahrungsberichte von Roma-Selbstorganisationen berichten von anhaltender Diskriminierung von Roma in den genannten Gesellschaftsbereichen. Auch diverse Bevölkerungsumfragen belegen wiederholt ablehnende Haltungen in Teilen der deutschen Bevölkerung gegenüber Sinti und Roma. Der Berliner Senat schließt daraus, dass weiterhin staatliche Maßnahmen notwendig sind, die auf eine verbesserte gesellschaftliche Teilhabe und einen verbesserten Antidiskriminierungsschutz hinwirken.

4. Wie wird sich diese Situation nach Ansicht des Senats in der nächsten Zeit durch die Diskussion über „gute und schlechte Flüchtlinge“ sowie die „Armutsflüchtlinge“ verändern?

Zu 4.: Generell sind öffentliche Diskurse, die eine Hierarchisierung von Bevölkerungsgruppen zur Folge haben, für die Weiterentwicklung einer demokratischen Kultur im Gemeinwesen nicht förderlich.

5. In der Drucksache h17-0369.L heißt es: „Die Einbeziehung der Thematik der Diskriminierung von Roma und Sinti in die Konzeption und Durchführung von Diversity-Trainings der LADS-Akademie wurde zunächst zurückgestellt, da zu den umfassenden Sensibilisierungs- und Trainingsangeboten freier Träger kein Doppelangebot geschaffen werden sollte.“ Um welche Angebote handelt es sich dabei? Über welchen Stundenumfang handelt es sich? An wen richten sich diese Angebote? Wie wurden sie in der Vergangenheit angenommen? (Bitte nach Institution, Datum und Stundenumfang auflisten) Wer führt sie durch und in welchem Umfang gibt es dafür finanzielle Unterstützung?

Zu 5.: In Berlin bieten verschiedene Träger Bildungsarbeit zur Thematik der Diskriminierung von Sinti und Roma an. Der Verein „Alte Feuerwache e.V. / Jugendbildungsstätte Kaubstraße“ hat im März 2015 sein Projekt „Antiziganismus erkennen, benennen, entgegenwirken“ - gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ (BMFSFJ) - gestartet. Im Rahmen dieses Projekts werden zahlreiche Gruppen junger Menschen in Wochenseminaren die Möglichkeit bekommen, sich mit Erscheinungsformen, Strukturen und Bildern von Antiziganismus auseinanderzusetzen, um das Thema anschließend durch individuelle Mikroprojekte in den eigenen Alltag zu tragen.

Bisherige Kooperationspartner für dieses Projekt sind der Landesjugendring Berlin sowie der Türkische Bund Berlin-Brandenburg. Der Träger „Alte Feuerwache e. V. / Jugendbildungsstätte Kaubstraße“ bietet darüber hinaus themenspezifische Fortbildungen für MultiplikatorInnen und LehrerInnen an die sich auch mit dem Thema „Antiziganismus“ auseinandersetzen. Im Rahmen der o.g. Bundesförderung „Demokratie leben!“ sind in Berlin weitere Projekte mit dem Fokus auf Antiziganismus tätig, z.B. das Projekt „Romani Phen“ des Trägers „VIA e.V.“.

Der Verein „Amaro Foro e.V.“ hat im Rahmen seines Projekts „Dokumentation von antiziganistisch motivierten Vorfällen und Stärkung der Opfer von Diskriminierung“ in 2014 monatliche Informationsveranstaltungen durchgeführt. Hauptthemen waren dabei die Entstehung und Funktion rassistischer Stereotype von Sinti und Roma, die sozioökonomische Situation von Roma aus Rumänien und Bulgarien in Berlin, sowie Beteiligungsmöglichkeiten in der Arbeit gegen Antiziganismus. Darüber hinaus fand am 3.12.2014 die Fachtagung Saore Roma unter dem Motto „Diskriminierungsfreies Deutschland? Zur Bekämpfung eines gesellschaftlichen Phänomens“ mit mehr als 60 Teilnehmenden statt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „Amaro Foro e. V.“ haben ihre Expertise als Referentinnen in weiteren 10 Veranstaltungen anderer Träger eingebracht. Das o. g. Projekt wird im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus (SenArbIntFrau) mit 50.000 € p.a. gefördert.

Auch Roma-Selbstorganisationen wie der „Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V.“ und das „Rroma–Informations–Centrum e.V.“ bieten verschiedene Veranstaltungen mit unterschiedlichen Formaten an. Weitere Informationen über Zahl der Teilnehmenden, Stundenumfang und Finanzierung liegen hier nicht vor.

6. Der Verein Amaro Foro bekommt eine Förderung für die Projektes „Dokumentation von antiziganistisch motivierten Vorfällen und Stärkung der Opfer von Diskriminierung“ - welches Ergebnis erwartet der Senat? Eine Abnahme, die die Einstellung der AntiziganismusArbeit rechtfertigt?

Zu 6.: Der Berliner Senat erwartet von dem o.g. Projekt die systematische Dokumentation von antiziganistisch motivierten Vorfällen und die Stärkung der Opfer der Diskriminierung durch Erstberatung, Aufklärungsarbeit und Begleitung zu Beratungsinstanzen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, das Wissen über antiziganistische Vorfälle zu verbessern um den Berliner Behörden sowie relevanten zivilgesellschaftlichen Akteuren einen Überblick zur Einleitung gezielter Schritte für die Prävention und zur Minimierung des Antiziganismus zu verschaffen. Die Wurzeln des Antiziganismus reichen weit zurück in die Vergangenheit der deutschen und europäischen Geschichte. Es ist davon auszugehen, dass bis auf weiteres die Auseinandersetzung mit Problemen des Antiziganismus notwendig sein wird.

7. Warum wurden aus dem EHAP-Programm keine Mittel abgerufen, die für Maßnahmen zur Sensibilisierung gegen Antiziganismus bereitstehen?

Zu 7.: Der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) richtet sich an Beratungsprojekte für benachteiligte neuzugewanderte Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die keinen Zugang zu den Beratungs- und Unterstützungsangeboten des regulären Hilfesystems haben. Anträge für Maßnahmen zur Sensibilisierung gegen Antziganismus konnten in der Ausschreibung 2015 nicht gestellt werden.

Berlin, den 28. Oktober 2015

In Vertretung
Boris Velter
Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Nov. 2015)

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