Veranstaltungsbericht Nachbarschaftsgespräch „Probleme mit Drogenkonsum und -verkauf in Nordneukölln“

Da der über die letzten Jahre stark zunehmende Handel und Konsum von Drogen im öffentlichen Raum sowie in Hauseingängen entlang der U7 und U8 und die damit verbundenen Probleme Anwohner*innen, Politik und Verwaltung sowie die damit arbeiten Akteure stark beschäftigt, haben mein Kollege André Schulze und ich ein erstes Nachbarschaftsgespräch dazu organisiert.

Gemeinsam mit der Suchthilfekoordinatorin Lilli Böwe vom Bezirksamt Neukölln, Astrid Leicht und Sebastian Bayer von Fixpunkt e.V., der Drogen- und Gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen Fraktion des Abgeordnetenhauses Catherina Pieroth, sowie vielen interessierten Bürger*innen sprachen wir über die unterschiedlichen Aspekte desThemas und den Wirkungsgrad verschiedener Lösungsansätze.

Während Anwohner*innen insbesondere die Auswirkung des Drogenkonsums auf ihr eigenes Lebensumfeld zu Schaffen macht – Konsum und Konsummüll (Spritzen u.ä.) in Hausfluren, Grünanlagen, rund um Kitas, die Verwahrlosung der Abhängigen, die Zunahme von Drogenkriminalität, konnten die Expert*innen Lösungsansätze, damit verbundene Schwierigkeiten und die die Problemlagen der Suchterkrankten schildern.

Fixpunkt e.V. betreibt in Neukölln ein Konsummobil am Anita-Berber Park, Abhängigen stehen zudem Konsumräume in der Karl-Marx-Straße (derzeit aufgrund von Wasserschaden nicht geöffnet), in der Ohlauer Straße und am Kotti sowie in der Reichenberger Straße zur Verfügung, in denen Kokain und Amphetamin konsumiert werden können. Durch Streetworker werden Spritzen und Entsorgungsbehälter ausgegeben. Die Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten für Suchtkranke seien in den letzten Jahren zwar ausgebaut worden, deckten den Bedarf aber noch immer bei weitem nicht. Substituierungsprogramme seien z.B. eine erfolgreiche Möglichkeit, den Abhängigen den Zugang in ein geregelteres Leben ermöglicht. Problematisch sei jedoch, dass viele Menschen, aufgrund des fehlenden Zugangs zum Gesundheitssystem, sowie Kapazitätsbeschränkungen, von diesen Hilfsangeboten ausgeschlossen seien. Abhängige würden zudem oft aufgrund von bürokratischen Hürden vor Hilfsangeboten zurückscheuen. So müssen Personen, die die Konsumräume nutzen, sich amtlich ausweisen können und einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Menschen mit einem ungeklärten Aufenthaltsstatus würden daher diesen Hilfssystemen mit Skepsis begegnen. Auch die für Suchtkranke so wichtige ärztliche Versorgung sei nicht für alle gewährleistet, denn die große Anzahl an Menschen ohne Krankenversicherung werde weder ärztlich versorgt, noch habe sie Zugang zu Substituierungsprogrammen. Hier könnte eine kostenfreie Basis-Gesundheitsversorgung für alle abhelfen, die in einigen Ländern erfolgreich angewandt wird.
Die Stadt sei zudem immer zugebauter, Freiräume und Rückzugsorte, an denen die Abhängigen konsumieren können, fallen weg, so dass sie vermehrt Hauseingänge aufsuchen, um sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Anwohner*innen müsse bewusst gemacht werden, dass Drogenabhängige versuchen würden, sich für den Konsum dem Blick der Öffentlichkeit zu entziehen, solche Orte seien aber derzeit kaum mehr vorhanden. In Kältehilfen und Notschlafstellen ist der Konsum untersagt, so dass die Gäste für diesen wieder in den öffentlichen Raum zurückkehren, hier wäre ein anderes System und längere Öffnungszeiten begrüßenswert. Insgesamt habe man es, so Astrid Leicht, immer mit einer nicht-kohärenten Politik zu tun, die Arbeit in den unterschiedlichen Themenbereichen die die Arbeit mit Drogensüchtigen umfasst sei nicht aufeinander abgestimmt und torpediere sich teilweise gegenseitig.

Auch Lilli Böwe betont insbesondere diese Schnittstellenproblematik als größte Herausforderung, die es anzugehen gilt. Drogenabhängigkeit ist immer auch im Zusammenhang mit weiteren Themen zu betrachten, um wirksame Lösungsansätze zu finden. Einige Abhängige haben schwere Infektionskrankheiten, die es zu behandeln gilt, psychische Probleme seien weit verbreitet. Zudem hätten aber viele der Suchterkrankten keine Krankenversicherung. Auch Obdach- und Arbeitslosigkeit sind eng verwoben mit dem mit der Drogenabhängigkeit. Durch die Hinterlassenschaften der Abhängigen sei auch die Müllproblematik ein Aspekt, der mitgedacht und angegangen werden muss. Dann gibt es teils auch aufenthaltsrechtliche sowie sprachliche Aspekte, die dazu führen, dass nicht alle Abhängigen von Hilfsangeboten Gebrauch machen können. All diese Aspekte müssten eigentlich gebündelt betrachtet und angegangen werden.Die Zuständigkeiten sind aber über verschiedene Ressorts und Ebenen verteilt, so dass Lösungskonzepte schwer geplant werden und daher nicht greifen können. Es brauche klare Ansprechpartner*innen auf allen Ebenen.

Um diese Aufgabe anzugehen, gäbe es die Landessuchtbeauftragte Heide Mutter (https://www.berlin.de/lb/drogen-sucht/), die auf Landesebene alle Fäden zusammenführen soll, so Catherina Pieroth. Eine bessere Vernetzung und eine überbezirkliche Zusammenarbeit schafft auch z.B. das NUDRA Projekt (https://www.nudra.de/wp-content/uploads/20220630_NUDRAII_Abschlussbericht_Final.pdf) . Bewährte Konzepte wie die Programme der Parkläufer*innen sollen ausgeweitet werden, und auch die Präventionsarbeit, u.a. in Schulen, sei ein wichtiger Aspekt, bei dem die Caritas gute Arbeit leistet. Mit dem Checkpoint am Hermannplatz gebe es im Kiez einen Anlaufpunkt, bei dem Betroffene, auch ohne Krankenversicherung, medizinisch versorgt werden. (https://checkpoint-bln.de/) Pieroth rät Anwohner*innen zudem Wahlkreisabgeordnete und Senator*innen mit direkten Forderungen zum Thema zu kontaktieren, um mehr Druck und Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Insbesondere in Zeiten der zeitnah anstehenden Haushaltsverhandlungen sei dies eine gute Möglichkeit das Thema zu thematisieren.

Für die anwesenden Anwohner*innen ist u.a. das Thema der Zuständigkeit wichtig. Für Bürger*innen müssen klare Ansprechpersonen benannt werden, die bei Problemen kontaktiert werden können und dann unterstützen, das müsse für Bereiche, u.a. Bezirks- und Landesebene, für BVG und Polizei gelten.
Weiterhin sei es insbesondere für Kinder wichtig, dass diesen Schutzräume im öffentlichen Stadtraum zur Verfügung stehen würden, an denen sie sich sicher fühlen. Gerade Kinder die allein unterwegs seien sind durch offenem Drogenkonsum und -verkauf verängstigt. Astrid Leicht wirft hier die Idee der Sozialkioske in den betroffenen U-Bahnhöfen in die Runde.
Ein weiterer Gast regt Bürger*innen dazu an, das Thema gemeinsam sichtbarer zu machen. Posts, Videos u.ä. würden zur Aufklärung beitragen und durch eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf das Thema auch dazu führen dass dieses von der Politik mehr Beachtung erfährt.

Ich freue mich, dass wir bei diesem Gespräch so konstruktiv miteinander ins Gespräch gekommen sind, und bleibe weiterhin am Thema dran. Auch weitere Gesprächstermine werden wir zukünftig planen um den Austausch zwischen Anwohner*innen, Politik, Verwaltung und Akteur*innen zu ermöglichen.
 

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