Mein Schreiben zu Durchsuchungen in Berliner Moscheen

Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerplattformen, vielen Dank für Ihr Schreiben. Auch wir sind in großer Sorge über das, was am vergangenen Donnerstag in der NBS passiert ist. Wir haben sofort begonnen, Erklärungen zu fordern und nach den Verantwortlichkeiten zu fragen.
 
Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier mit ungleichem Maß gemessen wurde. Mehrere Hundert Empfänger*innen von Sofort-Hilfen von der IBB werden derzeit auf die eine oder andere Art überprüft. Darunter sind auch Vereine, die sich wie die Moscheen aus Spenden finanzieren. Bisher hat es aber nur in Moscheen Razzien gegeben. Das Eindringen bewaffneter und maskierter Polizei ist traumatisch für alle, die das miterleben mussten. Besonders aber für Menschen, die in den Moscheen Verantwortung tragen und nun am Pranger stehen.
 
Denn natürlich gibt es keine Razzia ohne einen richterlichen Beschluss. Und in diesem muss ein “Anfangsverdacht” formuliert werden, der schwer genug wiegt, in eine Moschee regelrecht einzumarschieren, Waffen zu tragen, die Straße vor dem Haus zu blockieren, Privatwohnungen zu durchsuchen, Menschen im Auto festzusetzen, die Handys abzunehmen etc. Im Fall des Verdachts einer schweren Straftat wie etwa Terror, ist das sicherlich gerechtfertigt.
 
Hier aber geht es darum, dass die im Frühjahr schnell gewährten Hilfen an gemeinnützige Vereine eventuell nicht den Vorgaben entsprechen. Das darf natürlich nicht sein. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass diese Vorgaben keineswegs eindeutig und zweifelsfrei waren: Die Integrationsbeauftragte, Frau Niewiedzial, schreibt, dass auch ihre Dienststelle keine eindeutigen Informationen von der IBB dazu  erhalten konnte. Woher also kommt die “Eindeutigkeit” in der Auslegung der Förderrichtlinien, die eine Razzia rechtfertigt? Warum überhaupt eine Razzia und nicht einfach die Forderung nach Herausgabe der Akten, Kontoauszüge usw. (was immerhin auch den Abbruch der Kooperation zwischen Fördergeberin und Fördernehmern bedeutet hätte, aber nicht so brutal gewesen wäre)? Die Frage nach der Angemessenheit der Mittel drängt sich hier auf.
 
Die Polizeieinsätze haben bei vielen, nicht nur Muslim*innen, das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert, weil der Eindruck kaum von der Hand zu weisen ist, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Zumindest sind unseres Wissens bisher keine Fälle von Razzien in einer Kirche oder einem anderen gemeinnützigen Verein bekannt geworden. Die Polizeieinsätze haben außerdem einer stigmatisierenden und abwertenden Presseberichterstattung Futter gegeben: “Moschee und Betrug”, das ist nun gesetzt. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Moscheegemeinden kein Verschulden trifft, da die Förderrichtlinien tatsächlich nicht eindeutig genug waren, so dass sie guten Glaubens davon ausgehen durften, dass sie das Recht hätten, Gelder zu  beantragen: Im Nachhinein wird eine solche Nachricht kaum geeignet sein, das Bild wieder aus der Welt zu schaffen, das bereits gesetzt worden ist. 
 
Wir haben viele Fragen. Seien Sie sicher, dass wir als zuständige Abgeordnete energisch die Aufklärung vorantreiben.
 
Bettina Jarasch, MdA
Susanna Kahlefeld, MdA

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