Meine Rede zum temporären Denkmal am zukünftigen Standort des Deutsch-Polnischen Hauses

Das temporäre Denkmal steht seit dem 10. April.

Hier geht es zu meiner Rede im Parlament am 10.04.2025 / 2:49:10 zum temporären Denkmal am zukünftigen Standort des Deutsch-Polnischen Hauses

 

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen!

Das temporäre Denkmal steht seit heute 12.00 Uhr. Die Einladungen zum Fototermin und zur Enthüllung kommen. Ich freue mich sehr, dass es so weit gekommen ist. Mit dem Über fall auf Polen begann der Expansionskrieg Deutschlands gegen seine Nachbarn im Osten, ein rassistischer Krieg, in dem die als minderwertig eingestuften Polinnen und Polen, Jüdinnen und Juden, Roma, Ukrainerinnen und Ukrainer, schließlich alle Menschen, die zur slawischen Sprachgruppe gehören, vernichtet, radikal dezimiert und enteignet werden sollten, um Platz zu schaffen für Deut sche oder jedenfalls für die Deutschen, die die Nazis als solche gelten ließen.

Wir haben im letzten Jahr am 2. September, am Ort der Krolloper, dieses Überfalls und des Beginns der genozi dalen Kriegsführung gegen unsere direkten Nachbarn gedacht. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Die Opfer vergessen das Geschehene nie, die Täter vergessen es sofort. Das sagte Jan Tombiński, Geschäftsträger der polnischen Botschaft. Und Claudia Roth, die damals noch in Verantwortung für das Projekt des Deutsch-Polnischen Hauses war, ergänzte an die deutschen Zuhörerinnen und Zuhörer gewandt, – Zitat – ohne Ehrlichkeit vor uns selbst sei keine neue gute Nachbarschaft möglich.

Die Täter und Täterinnen sowie ihre Nachfahren brau chen dieses Haus, um an die Gräuel des Krieges an der Front, aber auch im Hinterland erinnert zu werden und um bessere Nachbarn zu werden. Der Zeitpunkt für den Start dieses Hauses könnte nicht besser gewählt sein. Die Notwendigkeit ist so groß wie nie. Europa ist aus dem Grauen des Krieges und des Holocaust entstanden. Aber Europa wird zunehmend kalt und dunkel. Es schottet sich ab, schließt die Grenzen und vergisst oder verdrängt derzeit diesen Gründungsimpuls. Was dann übrig bleibt, ist Verrohung, eine Haltung, vergleichbar mit der der Mörder in Polen, dass man eben hart sein müsse, um das Eigene zu verteidigen, dass Leichenberge ertragen wer den müssen, wenn man dem höheren Ziel der eigenen Interessen und einer ziemlich krude verstandenen eigenen Identität dienen wolle.

Wir zerstören uns derzeit von innen. Deshalb brauchen wir diesen Ort des Gedenkens, des Verstehens und der Begegnung. Deshalb ist es gut, dass im Konzept des Hauses explizit sowohl die Beteiligung der polnischen Community als auch ein Jugendbeirat vorgesehen sind. Die Opfer müssen gehört werden, und wir müssen Ehr lichkeit lernen.

Dabei muss es auch um den antislawischen Rassismus gehen, dem unsere polnischen Nachbarinnen ausgesetzt waren und es bis heute in Deutschland auch immer noch sind; mit Sicherheit auch deshalb, weil er eben von den Täterinnen und Tätern, die ja vergessen – ich erinnere an den Ausspruch von Jan Tombiński –, immer noch nicht thematisiert wird.

Zugleich ist die Gefahr für Europa durch Putins Russland so groß, wie wir es uns nie hätten vorstellen können. Auf gute Nachbarschaft kommt es jetzt also wirklich an. Das Konzept für das Deutsch-Polnische Haus, erarbeitet von vom Deutschen Polen-Institut und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, liegt seit Juni 2024 vor, inklusive einem Zeitplan zur Umsetzung. Ich verste he den vorliegenden Antrag der Koalition so, dass sie die Bundesebene unterstützen möchte, damit dieses wichtige Projekt weitergeführt und – ich blicke da auf Berlin mit Sorge – die Gelder nicht gestrichen werden. Ein solches Haus wird sich nicht führen lassen wie ein Klub, der irgendwelche Einnahmen generieren kann. Ich nehme Sie also beim Wort, und wir behalten Sie im Auge, insbeson dere, was die Einbeziehung der polnischen Communitys hierzulande angeht. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

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