Bebauung des Tempelhofer Feldes SPD will Berliner befragen – Linke und Grüne dagegen

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Autorin: Annika Leister

Tempelhof - Die SPD baut weiter Druck auf, um das Tempelhofer Feld am Rand bebauen zu lassen. Bereits Ende 2018 sprach sich der Berliner Landesverband auf seinem Parteitag für eine „sozialverträgliche“ Randbebauung aus. Im Mai warb SPD-Fraktionschef Raed Saleh massiv für die Idee. Jetzt haben die SPD-Kreisvorsitzenden Harald Georgii (Friedrichshain-Kreuzberg), Lars Rauchfuß (Tempelhof-Schöneberg) und der stellvertretende Kreisvorsitzende Sven Kohlmeier (Marzahn-Hellersdorf) ein dreiseitiges Konzept-Papier verfasst.

Ihr Plan: Die östliche Seite des Tempelhofer Dammes und der südliche Rand des Feldes hin zur Autobahn sollen bebaut werden,  „mehrere tausend Wohnungen“ könnten dort entstehen, schreiben sie. Die Flächen sollten ausnahmslos an landeseigene Wohnungsunternehmen gehen, die Nettokaltmiete 6,50 Euro betragen. Doch in der gesamten Diskussion um Berlins größte Naherholungsfläche stellt sich zuallererst eine Frage: Wie will die SPD überhaupt an dem Volksentscheid von 2014 und dem daraus hervorgegangenen Tempelhofer-Feld-Gesetz rütteln, das  jede Form der Bebauung strikt untersagt?

Bebauung von Tempelhofer Feld: SPD fordert die „Volksbefragung von oben"

Das Parlament könnte das Gesetz kippen, aber keine Partei will sich so einfach gegen  Volkes Willen stellen. Für einen neuen Volksentscheid gibt es bisher keinen Initiator. Die SPD plädiert deswegen seit Monaten für die Einführung eines neuen Werkzeugs: die „Volksbefragung von oben". Eine Befragung der Berliner also, durch eine vom Abgeordnetenhaus formulierte Frage, die nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann.

Im Innenausschuss wird seit dem Frühjahr darüber diskutiert, die SPD hat den Vorstoß in ihr extrem umfangreiches und umstrittenes Gesetzespaket zur Novelle des Polizei-, Abstimmungs- sowie des Versammlungsgesetzes gepackt. Doch  die Fronten sind hoffnungslos verhärtet,  Linke wie Grüne zunehmend genervt vom Koalitionspartner.

„Unprofessionell und unseriös": Massive Kritik von Linken und Grünen

Als „unprofessionell und unseriös“ bezeichnet Michael Efler,  demokratiepolitischer Sprecher der Linken, das Vorgehen der SPD. Die befahre immer wieder „dieselbe Sackgasse“ – und könne nicht auf Entgegenkommen setzen, sondern müsse sich von der fixen Idee der Befragung von oben verabschieden.

Auch Susanna Kahlefeld, Sprecherin für Partizipation und Beteiligung bei den Grünen, kritisiert die SPD scharf. Die verschleppe die Umsetzung des Koalitionsvertrags und fordere gleichzeitig neue Zugeständnisse von ihren Partnern. Für Kahlefeld führt das inzwischen zu der Frage: „Wie zuverlässig ist die SPD eigentlich noch als Koalitionspartner?“

Linke und Grüne lehnen die „Volksbefragung von oben“ kategorisch ab. Mit denselben Argumenten: Werkzeuge der direkten Demokratie gehörten weiterhin in die Hände der Bevölkerung. Volksentscheide und -initiativen sollten – wie im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag 2016 vereinbart – erleichtert werden. Die Volksbefragung durch das Abgeordnetenhaus aber täusche direkte Demokratie lediglich vor, verpflichte das Parlament am Ende zu nichts und öffne das Tor dafür,  sehr komplexe oder stark emotional aufgeladene Debatten auf eine simple Frage zu reduzieren. 

Vereinfachungen für Volksentscheide wurden noch nicht umgesetzt

Kahlefeld wie Efler ärgert der SPD-Vorstoß besonders, weil im Koalitionsvertrag andere Ziele vereinbart wurden – wie zum Beispiel verbindliche Fristen für die Prüfung von Volksentscheiden durch die Verwaltung. Zuletzt habe der „Volksentscheid für Gesunde Krankenhäuser“ ein Jahr lang warten müssen, um von der Senatsverwaltung für Gesundheit erfahren zu müssen:  Der Antrag sei rechtlich so nicht zulässig. Auch das Volksbegehren „Berlin Werbefrei“ liege schon seit einem Jahr, so Efler. „Ich will gar nicht wissen, was mit dem Volksbegehren zur Enteignung passiert, wenn wir nicht bald Fristen setzen.“

Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ hatte Ende Juni rund 77.000 Unterschriften an die Senatsverwaltung für Inneres übergeben und wartet nun auf Prüfung der Unterschriften und auf Prüfung der Rechtskonformität des gesamten Vorgehens durch die Verwaltung.

Selbst eine Volksinitiative zur Bebauung des Tempelhofer Feldes starten?

Auch im jüngsten Papier der SPD-Funktionäre Kohlmeier, Georgii und Rauchfuß zum Tempelhofer Feld heißt es: Die Form der Abstimmung sei entscheidend. „Dafür gibt es mehrere Varianten, eine wäre die Volksbefragung durch das Abgeordnetenhaus, eine andere eine erneute Volksinitiative.“

Die Volksbefragung sei der SPD wichtig, sagte Kohlmeier der Berliner Zeitung. „Wir sehen sie als sinnvolles Instrument, um respektvoll mit einmal gefällten Volksentscheiden umzugehen.“ Keinesfalls wolle man damit bloß die Linken und die Grünen ärgern. Da die weiter hart bleiben dürften, wäre sogar denkbar, dass SPD-Politiker den anderen Weg wählen und selbst eine Volksinitiative zur Bebauung auf dem Tempelhofer Feld starten. Kohlmeier: „Das ist eine Möglichkeit.“

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