Veranstaltungsbericht: 3. Kiezgespräch "Optionszwang abschaffen und Einbürgerung erleichtern"

50 interessierte Personen sind am 26. Juni 2013 zu unserem Kiezgespräch zum Thema „Optionszwang abschaffen und Einbürgerung erleichtern“ in die Räume des Vereins Sivasli Canlar gekommen.
Auf dem Podium diskutierten Memet Kilic, Sprecher für Integrations- und Migrationspolitik in der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Susanna Kahlefeld, Sprecherin für Partizipationspolitik in der Abgeordnetenhausfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Anja Kofbinger, Grüne Direktkandidatin für Neukölln für die Bundestagswahl.
Zum Auftakt der Veranstaltung erläuterte Memet Kilic die Bedeutung des Optionszwangs, wie es auf Bundesebene dazu kam und dessen Auswirkungen auf spezifische Bevölkerungsgruppen in Deutschland. Im Jahr 1999 brachte die damalige rot-grüne Regierung eine umfassende Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf den Weg. Der Grundgedanke dieser Reform war, dass in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern – wenn ein Elternteil ein Daueraufenthaltsrecht besitzt – neben der Staatsangehörigkeit der Eltern von Geburt an auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Dieser Reformvorschlag konnte jedoch nicht durchgesetzt werden; es kam zu einer „Kompromisslösung“: der Optionszwang. Kinder ausländischer Eltern erhalten die deutsche und die elterliche Staatsangehörigkeit, müssen sich jedoch bei Volljährigkeit bis zur Vollendung der 23. Lebensjahres für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Prinzipiell ist Mehrstaatlichkeit jedoch auch in Deutschland nicht mehr die Ausnahme. Mit der Einführung des Rechtes auf Mehrstaatlichkeit für EU-Bürger_innen im August 2007 und der Schaffung von Ausnahmeregelungen für einige Nicht-EU-Länder wird Mehrstaatlichkeit inzwischen – zumindest für einige Bevölkerungsgruppen - zunehmend zur Regel. Für andere leider nicht und das bewirkt einen integrationspolitischen Rückschlag. Bis zum Jahr 2018 werden jährlich etwa 7.000 Personen bundesweit vom Optionszwang betroffen sein, im Jahr 2018 werden sogar 40.000 gezwungen, die eine oder andere Staatsbürgerschaft zu abzulegen und damit möglicherweise zu „Ausländern“ im eigenen Geburtsland zu werden. Ein Großteil von ihnen sind Kinder, die auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen.

Susanna Kahlefeld schilderte auf Landes- und Bezirksebene die allgemeine alltägliche und strukturelle Diskriminierung von Personen mit Migrationshintergrund und besonders bestimmter Bevölkerungsgruppen. Noch immer hängt in Deutschland der Zugang zu Bildung, sehr stark mit der „Herkunft“ zusammen. Viel weniger Kinder mit Migrationshintergrund
erhalten, bei gleicher Leistung, eine Gymnasialempfehlung.

Die Diskussion ließ viel Raum für individuelle und kollektive Erfahrungen, Berichte, alltägliche „Kämpfe“ und Widersprüche. Wiederkehrende Diskriminierungsmuster wurden aufgedeckt und Argumentationen, wie „Menschen sind nicht loyal, wenn sie zwei Pässe haben“ eindeutig widerlegt. Integrationspolitisch ist es wichtig an die im Land aufwachsenden Kinder aller nationaler Zugehörigkeiten das klare Signal zu senden, dass sie dazugehören. Hier geht es schließlich um Gleichberechtigung. Aber wie kann von Gleichberechtigung gesprochen werden, wenn einige Kinder, die die deutsche
Staatsangehörigkeit durch Geburt in Deutschland erworben haben, dem Optionszwang unterliegen, während andere Kinder, die durch Geburt mehrere Staatsangehörigkeiten erworben haben, diesem Zwang nicht unterliegen?

Wir Grünen fordern generell die Akzeptanz von Mehrstaatlichkeit. Es gibt keine Gründe, warum Menschen nicht mehrere Pässe haben sollten.

 

« Zurück