Veranstaltungsbericht des Kiezgesprächs „Mietpreisbremse & Co – Was hilft gegen die Mietensteigerungnen in Nord-Neukölln?“

Letzten Donnerstag luden meine Kollegin Anja Kofbinger und ich ins Refugio Sharehouse ein, um gemeinsam mit unseren Podiumsgästen aus Bundes-, Landes- und Bezirksebene und zahlreichen Besucher*innen über die Mietentwicklung in Nord-Neukölln zu diskutieren und die Wirksamkeit der Mietenpolitischen Instrumente zu beleuchten.

Schnell herrschte Einigkeit darüber, dass die Mietpreisbremse durch die vielen Ausnahmeregelungen die es Vermieter*innen möglich macht diese zu umgehen, keine Wirkung zeige. Aus einer ursprünglich sehr guten Idee ist durch Schlupflöcher wie die Ausnahme von komplett modernisierten Wohnungen von der Mietpreisbremse, oder die Möglichkeit überteuerte Mieten weiterhin zu verlangen solange der/ die Vormieter*in diese bezahlt hat, ein zahnloser Tiger geworden. Diese von vielen Mieterverbänden vorausgesagte fehlende Wirksamkeit wurde auch durch mehrere Bundes- und Berlinweite Studien die gerade zum einjährigen Bestehen der Bremse erschienen sind, bestätigt.

Mieter*innen hätten, so Wilhelm Laumann vom Berliner Mieterverein, zudem oft Hemmungen, sich direkt nach Einzug in einen Konflikt mit den Vermieter*innen zu begeben. In den letzten 10 Jahren seien die Mieten in Nord-Neukölln rasant gestiegen. So zahlte man 2006 noch durchschnittlich 5 EUR/ m², heute liege der Durchschnittspreis der Neuvermietungen bei 10 EUR/ m². Nicht nur durch diese Preisentwicklung, sondern auch mit Hilfe einer Strategie, bei der Eigentümer*innen sehr hohe Modernisierungskosten auf die Mieter*innen umlegen und diese dadurch zum Auszug zwingen, werden immer mehr Altmieter*innen verdrängt. Die Wohnungen werden dann hochpreisig vermietet oder als Eigentumswohnungen verkauft. Durch die Einführung von Milieuschutzgebieten, wie z.B. im Reuter- und Schillerkiez dem am Ende auch die SPD durch den Druck der z.T. gut organisierten Zivilgesellschaft zugestimmt hat, werden Luxusmodernisierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verboten. Doch die Umsetzung des Milieuschutzes läuft schleppend, und die Aussicht auf weitere solcher Gebiete in Nord-Neukölln ist vage.

Auch Katrin Schmidberger, Sprecherin der Grünen Fraktion des Abgeordnetenhauses für Mieten und Soziale Stadt, zieht eine bittere Bilanz der bisherigen Mietenpolitik des Landes Berlin. So würde der Bedarf an Sozialwohnungen wachsen, der Bestand dieser jedoch kontinuierlich zurückgehen, da betroffene Wohnungen nach 30 Jahren aus der Förderung fallen würden, bei einer frühzeitigen Rückzahlung der Kredite durch die Eigentümer*innen würde die Bindung sogar schon nach 20 Jahren entfallen. Dieses System sei nicht nachhaltig, so Schmidberger, und bedürfe dringender Veränderungen. 2011 habe der Senat endlich auf die katastrophalen Zustände der Stadt reagiert und eine Wohnungspolitik initiiert. So wurde z.B. das Zweckentfremdungsverbot beschlossen. Noch immer gäbe es jedoch Handlungsbedarf in allen Bereichen. So müssten Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet werden einen höheren Anteil an Sozialwohnungen bereitzustellen, ein gezielter Ankauf von Wohneinheiten durch die Bezirke müsse begünstigt werden, und die Liegenschaftspolitik verbessert werden.

Christian Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen Bundestagsfraktion, betont, dass es für alle vorhersehbar war, dass die Mietpreisbremse durch die vielen eingebauten Schlupflöcher wirkungslos sein würde. Dies sei besonders von der CDU so gewollt gewesen. Die Ausnahme von komplett modernisierten Wohnungen aus der Mietpreisbremse wirke z.B. als Anreiz für Vermieter*innen, ihre Wohnungen zu modernisieren und dann für Preise weit über dem Mietpreisspiegel zu vermieten. Die Mietpreisbremse müsse daher sofort verschärft werden. Internationale Investor*innen investieren zur Zeit massiv in Immobilien, Berlin sei hier als Anlageort besonders beliebt. Selbstverständlich werden auch hohe Renditen erwartet, Spekulation mit Immobilien werde durch das Steuerrecht begünstigt. Für die Berliner Mieter*innen sei diese Entwicklung fatal. Die hohe Modernisierungsumlage, die auf die Mieter*innen umgelegt werden könne, gekoppelt mit der Ausnahme von komplett modernisierten Wohnungen aus der Mietpreisbremse befeuere die Verdrängung von Altmieter*innen.

Bei der anschließenden lebhaften Diskussion wurde u.a. über den Wirkungsgrad des Wohngeldes geredet, der von Katrin Schmidberger als gering eingestuft wird. Auch Kühn betonte dass die Reform des Wohngeldgesetzes kaum Effekt habe und eine weitere Reform von Nöten sei. Ein weiteres von den Gästen angesprochenes Thema war die Regulierung von Gewerbe. Hochpreisige Gastronomiebetriebe würden oft langjährige Gewerbemieter*innen verdrängen, anstatt die Bedarfe des Kiezes bei der Vermietung zu berücksichtigen. Katrin Schmidberger erklärt, dass Bezirke durch die Baunutzungsverordnung in Milieuschutzgebieten teilweise Gastronomie zu Gunsten von Kitas o.ä. bevorzugen könne. Generell sei das Gewerbemietrecht jedoch stark verbesserungswürdig. Auch Chris Kühn fordert eine Reform des Gewerbemieterechts, welches auf Bundesebene jedoch kaum Beachtung finde.

Auch einer der letzten Bewohner*innen des Hauses in der Kopenhagener Straße 46 in Prenzlauer Berg war zu Gast und berichtete von den Verdrängungsstrategien der Immobiliengesellschaft, die das Haus vor einigen Jahren gekauft hat. Unter Anderem durch die Umlage von Modernisierungskosten die die Miete um mehr als das doppelte erhöhten, wurden mit der Zeit alle anderen Mieter*innen verdrängt. Willie Laumann und Katrin Schmidberger betonten, dass sich die Grünen auf Landesebene für eine Abschaffung der Modernisierungsumlage einsetzen. Chris Kühn bestätigte, dass die Modernisierungsumlage in Berlin oft zur Verdrängung der Mieter*innen missbraucht werde, sagte jedoch auch dass die Umlage bundesweit nötig sei, um klimaneutraleren Wohnraum voranzubringen. Die Umlage müsse jedoch, so Kühn, in Relation zur Einsparung stehen, und gedeckelt werden.

Wir danken allen Podiumsteilnehmer*innen und Gästen für das interessante Gespräch.

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