Veranstaltungsbericht Kiezgespräch Mietenexplosion in Nord-Neukölln

Am 25. November veranstaltet ich im Warthe-Mahl in Neukölln ein Kiezgespräch zum Thema „Mietpreisbremse und Co. – Ist die Mietenexplosion in Nord-Neukölln noch zu stoppen?“. Mit meinen Podiumsgästen Katrin Schmidberger, Sprecherin für Mieten und Soziale Stadt der Grünen Fraktion des Abgeordnetenhauses und Wibke Werner vom Berliner Mieterverein diskutierte ich zusammen mit den Gästen darüber in wie weit die Instrumente der Mietenpolitik wirken. Weiterhin wurde darüber diskutiertwelche Maßnahmen in Zukunft unabdinglich sind um die Entwicklung der Berliner Mieten ins Positive zu lenken.

Eine Immoscout Studie aus dem letzten Jahr belegt, was viele Neuköllner*innen schon seit langem vermutet haben: unser Bezirk hat in den letzten Jahren die höchsten Mietpreissteigerungen in ganz Berlin gehabt, die Preise von Eigentumswohnungen haben sich hier in den letzten 4 Jahren fast verdoppelt. Instrumente wie die Mietpreisbremse, das Wohnraumversorgungsgesetz, der Milieuschutz und das Zweckentfremdungsgesetz sollen Abhilfe gegen Verdrängung und Mietenexplosion schaffen. Ob sie das wirklich tun und wo nachgebessert werden muss erklärten meine Podiumsgäste.

Die Mietpreisbremse sei, so Werner, ein Schritt in die richtige Richtung. Leider würden die vielen Ausnahmen jedoch viel Platz für Vermieter*innen schaffen diese zu umgehen. Bei Neubauten gilt sie gar nicht, auch „umfassende Modernisierungen“ werden gerne von Vermieter*innen genutzt um diese zu umgehen. Auch für den/die Mieter*in ist die Anwendung des Gesetzes schwierig. Er/ Sie könne erst nach Abschluss des Mietvertrages per Klage gegen überhöhte Mieten angehen, ein Schritt den nicht viele Mieter*innen gehen. Auch Katrin Schmidberger bemängelt die für die Mieter*innen schwierige Handhabung und die vielen Ausnahmen. Eigentümer*innen würden umfassende Modernisierungen oft gezielt durchführen um Altmieter*innen durch die steigenden Mieten zum Auszug zu bringen und bei Neuvermietungen das Gesetz zu umgehen. 11% der Sanierungskosten können Sie auf die Mieter*innen umlegen, zu viel, wie Werner und Schmidberger betonen.

Das Wohnraumversorgungsgesetz wurde als Reaktion der Politik auf die Bürgerinitiative zum Mietenvolksbegehren erarbeitet. Es bringt landeseigene Wohnungsbaugesellschaften wieder auf einen sozialeren Kurs, in dem es ihnen vorschreibt 55% der Wohnungen an Menschen mit Wohnberechtigungsschein zu vergeben, und ihnen weniger Spielraum in der Umlage von Modernisierungskosten auf die Mieter*innen erlaubt. In den letzten Jahren gab es in Berlin eine Baumaffia, so Schmidberger, die überhöhte Baukosten geltend gemacht hat, welche gar nicht angefallen sind. Die Politik sollte durch eine engmaschige Kontrolle der Dokumente diesen Betrug aufdecken, so dass es keine Phantasiepreise mehr im sozialen Wohnungsbau gibt. Ein Problem sei es aber, so Werner, dass der Gesetzestext relativ unkonkret ist wodurch Schlupflöcher entstehen können, welche es zu eliminieren gilt.

Viele Neuköllner*innen kämpfen schon seit Langem für die Deklarierung ihres Kiezes als Milieuschutzgebiet. Bisher hielt die Neuköllner SPD jedoch das Milieu in Neukölln nicht für schützenswert. Erst jetzt hat sie dem Druck der Bürger*innen nachgegeben, so dass im Reuterkiez das erste Milieuschutzgebiet Neuköllns entstand. Doch was bedeutet dies eigentlich konkret? In Milieuschutzgebieten, so Werner, müsse das Bezirksamt alle baulichen Veränderungen an Häusern und Wohnungen genehmigen. De facto würden dadurch am Ende fast ausschließlich Luxus-Sanierungen verhindert. Weiterhin werde die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stark erschwert, ein sehr positiver Effekt. In ganz Berlin gibt es nur 21 Milieuschutzgebiete, da gäbe es noch viel Luft nach oben, betont Werner.

Es sei gut, so Katrin Schmidberger, dass es zunehmend mehr Milieuschutzgebiete gäbe, leider sei oft kaum politischer Wille zur Umsetzung des Gesetzes auf Bezirksebene vorhanden, so dass Verstöße gegen das Gesetz teils nicht geahndet werden. . Beispiele wie das Milieuschutzgebiet am Boxhagener Platz zeigen, dass ein positiver Effekt bei der Einwohner*innen-Struktur deutlich erkennbar ist und es mehr Altmieter*innen und Alteingesessene gibt als in den umliegenden Kiezen.

Auch das Vorkaufsrecht der Bezirke bei zum Verkauf stehenden Immobilien sei gut, könne jedoch auf Grund von fehlendem Kapital der Bezirke so gut wie nie in die Tat umgesetzt werden. Dafür soll es bald einen Fond geben aus dem Bezirke und Mietergemeinschaften Kredite für den Kauf von Immobilien beziehen können.

Ein Instrument welches die Nutzung von Wohnraum für Gewerbe oder als Ferienwohnung verbietet ist das Zweckentfremdungsgesetz. Obwohl der Ansatz sehr gut ist, so Werner und Schmidberger, hapere es bei der Umsetzung. Bezirke leiden an Personalmangel, das Sammeln von Beweisen sei mühsam und zeitaufwendig. Dies führe dazu, dass kaum ein/e Anbieter*in illegaler Ferienwohnungen überführt würde.

In der anschließenden lebhaften Diskussion fragte das Publikum u.a die Podiumsgäste in welchen Instrumenten sie das größte Potential für eine Ausweitung sähen um die derzeitige Mietentwicklung zu bremsen. Wibke Werner benennt zum einen die Möglichkeit Eigentümer*innen mit überhöhten Mieten strafrechtlich verfolgen zu können, und plädiert für eine bessere Eingrenzung der Möglichkeiten der Kündigung wegen Eigenbedarfs. Katrin Schmidberger würde Anreize für sozial agierende Vermieter*innen begrüßen und macht sich dafür stark, dass Fördermittelempfänger*innen die Sozialwohnungen bauen auch lebenslang gebunden werden anstatt die Wohnungen nach 20 Jahren wieder zu utopischen Preisen vermieten zu können.

Auch in Zukunft wird es auf Bundes- und Landesebene viel Bewegung in der Mietpolitik geben, welche ich verfolgen und in weiteren Kiezgesprächen aufgreifen werde. Ich bedanke mich bei den Podiumsgästen und Besucher*innen.

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