Diskriminierende Vergabe von Sozialwohnungen

Drucksache 17/10 081: Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanna Kahlefeld (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) vom 04. Januar 2012 und Antwort:

Diskriminierende Vergabe von Sozialwohnungen

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1: Sind dem Senat die Ergebnisse des Forschungsprojektes zur Exklusion auf dem Berliner Wohnungsmarkt (Wissenschaftszentrum Berlin) über die Diskriminierung von Hartz IV Empfänger_innen und Migrant_innen bei der Vergabe von landeseigenen Sozialwohnungen bekannt?

Frage 2: Welche landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben an der Studie teilgenommen?

Frage 3: Welche Gründe nennen die Wohnungsbaugesellschaften, die sich nicht beteiligt haben? Wie bewertet der Senat diese Absagen?

Antworten zu 1, 2 und 3: Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat mitgeteilt, dass es derzeit kein WZB-eigenes Forschungsprojekt zur Exklusion auf dem Berliner Wohnungsmarkt über die Diskriminierung einzelner Personengruppen bei der Vergabe von Sozialwohnungen gibt.
Die Autorin des Beitrages in der Dezember 2011-Ausgabe der WZB-Mitteilungen (Heft 134 Seiten 13 ff.) mit dem Titel „Draußen vor der Tür - Exklusion auf dem Berliner Wohnungsmarkt“ war von April 2011 bis Dezember 2011 beim WZB als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Das im Beitrag angeführte Forschungsprojekt ist eine Untersuchung im Rahmen ihrer Master-Abschlussarbeit, die sie im Juli 2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin eingereicht hat. Die von der Autorin größtenteils in Englisch verfasste Masterarbeit liegt dem Senat vor.
Laut der Verfasserin der Masterarbeit sollen Interviews mit insgesamt sieben Angestellten von drei städtischen Wohnungsbaugesellschaften stattgefunden haben. Außerdem soll in zwei Wohnungsbaugesellschaften an einem halben Tag die tägliche Arbeitspraxis von Angestellten, die für die Wohnungsvergabe zuständig sind, beobachtet worden sein.
Welche städtischen Wohnungsbaugesellschaften und welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgewirkt haben, ist aufgrund der von der Verfasserin zugesicherten Anonymität gegenüber den Beteiligten nicht nachvollziehbar.

Frage 4: Was gedenkt der Senat in Hinblick auf die diskriminierende Wirkung der Regeln der Vergabeverfahren zu tun?

Antwort zu 4: Der primäre Unternehmenszweck der sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften liegt in der Bereitstellung von geeignetem Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung, insbesondere auch für einkommensschwache und benachteiligte Haushalte.
Bei der Vermietung von Sozialwohnungen müssen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften die bestehenden Belegungsbindungen und Besetzungsrechte beachten. Eine finanzielle Überforderung der Mieterinnen und Mieter bei Wohnungsanmietung ist durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften grundsätzlich auszuschließen. Die Wohnungsbaugesellschaften haben bei Leistungsempfängerinnen und -empfängern nach SGB II und SGB XII darauf zu achten, dass Wohnungen mit angemessenen Wohnkosten vermietet werden. Einseitigen Belegungsstrukturen in ihren Wohnungsbeständen soll entgegen gewirkt werden.

Frage 5: Wie wird der Senat vorurteilsarme Einstellungen der Mitarbeiter_innen in den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften fördern?

Antwort zu 5: Der Senat ist sich bewusst, dass eine Grundvoraussetzung für ein gutes, soziales Miteinander in Berlin sowohl ein diskriminierungsfreier Zugang zu Wohnraum als auch ein diskriminierungsfreies Zusammenleben am Wohnort ist. Im Rahmen des Landesaktionsplans gegen ethnische Diskriminierung und Rassismus hat der Senat bereits seine Bereitschaft unterstrichen, Veranstaltungen der Wohnungswirtschaft (zum Beispiel in der BBA-Akademie) anzuregen und zu unterstützen, in denen Mitarbeitende sensibilisiert und für den Umgang mit Vielfalt geschult werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, eine Vernetzung von zentralen Akteur/innen der Wohnungswirtschaft zu initiieren, um sich über das Thema Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt auszutauschen, über allgemeine Konfliktlagen ins Gespräch zu kommen und zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um beispielsweise den Anteil von Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund innerhalb der Wohnungswirtschaft zu erhöhen.

Frage 6: Wie schätzt der Senat die Auswirkungen der Verdrängung von Hartz IV Empfänger_innen und Migrant_innen für die Stadtentwicklung ein?

Frage 7: Wie will der Senat durch die Vergabe seiner Sozialwohnungen das Zusammenleben unterschiedlichster Lebensstile, unabhängig von Einkommen und Herkunft sicherstellen?

Frage 8: Sind Nutzungsbindungen für landeseigene Wohnungen vorgesehen? Wenn ja, wo und für welche Zielgruppen?

Antworten zu 6 und 8: Der Senat wertet im Rahmen des Monitoring Soziale Stadtentwicklung soziostrukturelle Daten und deren Veränderung in den Bezirken, Bezirksregionen und Planungsräumen aus.
Mit vielfältigen Maßnahmen, wie etwa im Rahmen des „Quartiersmanagements“ und durch die Konzentration der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel in den „Aktionsräumen plus“ fördert der Senat gleichwertige Lebens- und Wohnbedingungen in Berlin. Hiervon profitieren vor allem auch zahlreiche Gebiete in den Innenstadtbezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, aber auch im Gebiet Neukölln-Nord, die gekennzeichnet sind durch einen hohen Anteil von Transferleistungsempfängerinnen und -empfängern.
Durch eine aktive Steuerung der Belegungsbindungen bei den Sozialwohnungen aber auch bei den sogenannten Belegungsbindungswohnungen im ehemaligen Ostteil Berlins fördert der Senat das friedliche Zusammenleben aller Berlinerinnen und Berliner.
Aktuell wurden 16 Großsiedlungen des Sozialen Wohnungsbaus für weitere zwei Jahre von den Belegungsbindungen bis zum 31. Dezember 2013 freigestellt, insbesondere um einseitigen Belegungsstrukturen entgegenzuwirken.
Bei den Belegungsbindungswohnungen im östlichen Teil Berlins endet hingegen die generelle Freistellung mit Ablauf des 30. April 2012. Ab den 1. Mai 2012 ist für den Bezug einer Belegungsbindungswohnung wieder ein Wohnberechtigungsschein erforderlich, soweit die Bezirke in Einschätzung der konkreten Wohnungsmarktlage vor Ort keine andere Entscheidung treffen. Mit dieser Maßnahme wird gerade im ehemaligen Ostteil Berlins, wo wenige Sozialwohnungen gebaut wurden, mittelfristig ein adäquates Angebot an belegungsgebundenen Wohnungen gesichert.
Für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wie auch Genossenschaften in Berlin werden hiermit vermehrt Bindungen für ihre Wohnungsbestände wieder eingeführt, die neben den bereits bestehenden Belegungsbindungen und Besetzungsrechten bei den Sozialwohnungen zu beachten sind.

Berlin, den 30. Januar 2012

In Vertretung

Ephraim Gothe

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Februar 2012)

Die Datei der Drucksache 17/10 081 können Sie hier herunterladen.

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