Kommentar zur Kleinen Anfrage, wann und wo die angebliche Öffentliche Diskussion über das Werkstatt-Konzept stattgefunden hat - Senat verstrickt sich immer mehr in Ausreden

Zum zweiten Mal habe ich nun auf eine Kleine Anfrage bezüglich der Werksatt der Kulturen eine unrichtige Antwort bekommen. (Den genauen Inhalt der Kleinen Anfrage und die dazugehörige Drucksache finden Sie am Ende dieses Kommentars)

Ich wollte wissen, ob und wie Communities und Akteur_innen an der konzeptionellen Diskussion über die Werkstatt beteiligt waren – sie waren es nicht, das wissen alle, die der Werkstatt irgendwie nahestehen.

Statt nun zu erklären, dass und warum es eine solche öffentliche Diskussion mit den Nutzer_innen nie gegeben hat – und ich wollte eigentlich vor allem das „Warum“ erfahren – wurden mir drei Termine genannt, an denen die von mir nachgefragte öffentliche Diskussion angeblich stattgefunden haben soll. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Die vorliegende Antwort bezieht sich auf die drei genannten Termine … ein ärgerliches Versteckspiel!

Migrantenvereine sind in die konzeptionelle Entwicklung der Werkstatt – so die aktuelle Antwort – nur über die Vertreter_innen im Trägerverein und über die Kurator_innen vertreten. Im Trägerverein sind u.a.: Die griechisch Othodoxe Pfarrgemeinde, Europa-Union Berlin e.V., CJD Berlin, Freunde Neuköllns e.V., Deutsch-Polnische Gesellschaft e.V., Club Dialog e.V., Slovenija e.V. Berlin – ob das eine repräsentative und soziokulturell kompetente Zusammensetzung ist, überlasse ich jedem selbst zu beurteilen. Öffentlich zugänglich sind weder Zusammensetzung noch Protokolle dieses Vereins.

Auch wenn die Werkstatt nie die berlinweite Bedeutung hatte, die dem Ballhaus Naunynstraße in Kreuzberg zukommt, so gehörte sie doch einige Jahre zu den wichtigsten Akteuren Berlins in der soziokulturellen Entwicklung einer vielfältigen migrantischen und postmigrantischen Metropole. Seit dem Leitungswechsel 2009 sind viele gute Köpfe weggeblieben und leider ist auch nichts neues an ihre Stelle getreten, was diese Verluste wettmachen könnte.

Die Zahlen sprechen für sich: Die gesamten Veranstaltungen sind seit 2009, also unter der neuen Leitung, auf 69% zurückgegangen. In der gleichen Zeit haben die Eigenproduktionen auf 171 % zugenommen. Veranstaltungen, bei denen die Communitys oder Projekte das Haus für ihre Zwecke nutzen, sind auf 69% zurückgegangen. Noch dramatischer ist der Rückgang der Kooperationen zwischen der Werkstatt und anderen Veranstaltern auf nur noch 26 %. Das funktioniert offenbar überhaupt nicht mehr. Der Verlust geht voll auf das Konto der Kooperationen und der sogenannten Gastveranstaltungen.

Ich erwarte vom Senat, dass er den Projekten und Akteur_innen ihre Werkstatt wieder öffnet – der Trägerverein alleine ist weder repräsentativ noch kompetent -  und dem Haus endlich die Bedeutung zurück gibt, die es einmal hatte. Die kulturelle Entwicklung in dieser Stadt sollte nicht aus Hinterzimmern geleitet werden und das Beantworten Kleiner Anfragen ist keine Scharade.

 

Kleine Anfrage: Diskussion über das Werkstatt-Konzept in der Naunystraße? Wer konnte mitreden?

Das Druckdokument 17/10872 zur Anfrage können Sie hier herunterladen. 

 

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. Warum haben die ersten Diskussionen über ein neues Konzept der Werkstatt der Kulturen erst in diesem Jahr stattgefunden?

Zu 1.: Die Werkstatt der Kulturen ist eine interkulturelle soziokulturelle Einrichtung, die vom Senat institutionell gefördert wird. Der Auftrag der Werkstatt hat sich in diesem Jahr nicht verändert. Daher kann auch nicht von einem neuen Konzept gesprochen werden.

Allerdings entwickelt die Werkstatt im Dialog mit ihren Nutzerinnen und Nutzern laufend ihre Angebote weiter. So gab und gibt es Veranstaltungen, die von Mieterinnen und Mietern durchgeführt werden, Kooperationsveranstaltungen mit Partnerinnen und Partnern und Veranstaltungen, für die die Werkstatt Gelder akquiriert – z.B. den Karneval der Kulturen, den Musikwettbewerb creole und die Werkstatt Religionen. Um Vereine und professionelle Kulturschaffende aus den unterschiedlichen Minderheiten-Communities zu unterstützen, hat die Werkstatt die Zahl der Veranstaltungen erhöht, für die die Werkstatt die Mittel akquiriert. So wurden Film-, Konzert-, und Lesereihen neu eingeführt. Diese haben auch das Ziel, professionellen Akteuren aus den unterschiedlichen kulturellen Milieus der Stadt auch außerhalb von Festivals Darstellungsmöglichkeiten zu bieten.

2. Warum waren die Communities an den konzeptionellen Änderungen seit 2006 nicht beteiligt?

3. Falls es frühere Möglichkeiten für die Nutzer und Nutzerinnen gegeben hat an der Konzeptentwicklung zu partizipieren – wo und wie sind sie dokumentiert?

Zu 2. und 3.: Bauliche, organisatorische und konzeptionelle Änderungen wurden von der 2008 berufenen Leiterin der Werkstatt in engem Austausch mit dem Vorstand des Trägervereins sukzessive eingeführt. Im Trägerverein und im Vorstand sind Migrantenvereine vertreten. Seither gab es folgende Änderungen, die die Migranten-Communities betreffen:

·         Das große, hintere Treppenhaus wurde zum Hauptaufgang, so dass nun nicht über die kleine Wendeltreppe (die als Fluchtweg bestehen bleibt) der große Saal erreicht wird.

·         Die Bühne im Saal wurde entsprechend um 180 Grad gedreht. 

·         Die Tontechnikerin oder der Tontechniker regeln den Ton vom Saal aus.

·         Die Vereine können die Küche und das Restaurant (inklusive Gläser und Geschirr) im Erdgeschoss für ihre Buffets nutzen und müssen hierfür nicht mehr den Saal nutzen.

·     Die Mietpreise sind erhöht worden: Im Saal von 300 € auf 450 €, im Clubraum von 150 € auf 175 €, im Seminarraum 1 von 70 € auf 90 € und in den Seminarräumen 2 bis 4 von 35 € auf 50 €.

· Den Mieterinnen und Mietern der Communities werden Veranstaltungsbetreuerinnen und Veranstaltungsbetreuer zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus hat die Werkstatt seit 2008 eine intensive Zusammenarbeit mit migrantischen Kuratorinnen und Kuratoren aufgebaut, die Stelle eines Fundraisers, der mit und für Vereine Finanzpläne erstellt, eingerichtet und einen wöchentlichen Kinoabend etabliert, feste Konzertreihen für Musikerinnen und Musiker aus den ethnischen Communities angeboten und das Finale des Bundeswettbewerb creole zwei mal nach Berlin geholt und den Wettbewerb insgesamt etabliert. Ein weiteres Beispiel ist die Produktion von mehrfach preisgekrönten Filmen, die in Zusammenarbeit mit Kindern aus unterschiedlichen Schulen gemacht wurden.

4. Warum haben (siehe Drucksache 17/10473) drei verschiedene Veranstaltungen zu diesem Thema stattgefunden?

Zu 4.: Der Senat begrüßt es, dass die Werkstatt Veranstaltungen zum Gedenken an die Mordopfer, die durch Rassisten ums Leben kamen, durchgeführt hat. Für weitere Veranstaltungen gab es keine finanziellen Möglichkeiten.

5. Inwiefern war die Diskussion am 22.01.2012 (siehe Drucksache 17/10473) über das Werkstattkonzept in die Veranstaltung des Migrationsbeirates mit dem Bündnis gegen Rassismus eingebunden?

6. Wie waren die Teilnehmer_innen darüber informiert worden, dass es in dieser Veranstaltung die Möglichkeit gab, über die Werkstattnutzung und -konzeption zu sprechen?

7. Warum gab es keine Ankündigung auf der Website?

8. Am 08.05.2012 fand gemäß der oben genannten Drucksache die zweite Diskussion mit den Werkstatt-Nutzer_innen statt: Inwiefern war diese Diskussion in die angekündigte Preisverleihung eingebunden?

9. Wie waren die Teilnehmer_innen darüber informiert worden, dass es in dieser Veranstaltung die Möglichkeit gab, über die Werkstattnutzung und -konzeption zu sprechen?

10. Warum gab es keinen Hinweis auf diesen Programmpunkt auf der Website?

Zu 5.-10.: Dem Senat ist nicht ersichtlich, weshalb eine „Einbindung“ erfolgen sollte. Siehe im Übrigen insbesondere die Antwort zu Frage 7 der genannten Kleinen Anfrage (Drucksache.Nr. 17/10473).

11. Am 10.05.2012 fand in der Naunystraße die von Kultursprünge e.V. in Kooperation mit der Werkstatt organisierte Diskussion „FACING BLACK PEOPLE“ statt. Inwiefern war die Diskussion über das Werkstatt-Konzept (siehe Drucksache 17/10473) angekündigt und in die Veranstaltung eingebunden?

12. Wie waren die Teilnehmer_innen darüber informiert worden, dass es in dieser Veranstaltung die Möglichkeit gab, über die Werkstattnutzung und -konzeption zu sprechen?

13. Warum sieht der Einladungstext auf der Website einen derartigen Programmteil nicht vor?

Zu 11.-13.: Der Umstand, dass in Berlin zeitgleich in drei Theatern weiße Schauspielerinnen und Schauspieler schwarz geschminkt auftraten (Black Face), hat in den schwarzen Communities zu großem Unmut geführt und auch Medien haben dies aufgegriffen. Die Werkstatt und das Ballhaus Naunynstraße haben auf den Diskussionsbedarf reagiert und die Veranstaltung Facing Black People durchgeführt. Dem Senat ist auch hier nicht ersichtlich, weshalb eine „Einbindung“ erfolgen sollte.

14. Welche Anregungen und Kritikpunkte von welcher Veranstaltung haben zu einer Veränderung in Programm und/oder Organisation der Werkstatt geführt?

Zu 14.: Die Werkstatt hat auf häufiger geäußerte Kritik reagiert. Kritisiert wurden: das Fehlen regelmäßig stattfindender Filmveranstaltungen, die Veranstaltungen seien nicht professionell ausgerichtet (schlechter Sound, holpriger Programmablauf, Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Besucherinnen und Besucher fehlten, Pappgeschirr, offene Mülltüten), eine nicht aktuelle Internetseite, das Fehlen einer Facebook-Seite, veraltete Programmhefte, keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, begrenzte Sprach- und Kulturkompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, keine regelmäßig stattfindenden Konzerte (da ansonsten lediglich zum Karneval der Kulturen und während des creole-Wettbewerbs Musikerinnen und Musiker Auftrittsmöglichkeiten haben). In diesen Fällen hat die Werkstatt Veränderungen eingeleitet.

Zudem gibt es häufiger genannte Anregungen, auf die die Werkstatt mangels finanzieller Mittel bisher nicht reagieren konnte: mehr Werbung in Form von Plakaten und Programmheften, regelmäßig stattfindende Empowerment-Trainings für Migrantenorganisationen und regelmäßig stattfindende Lesungen, regelmäßig stattfindende Kulturabende mit aus dem Ausland eingeladenen politisch aktiven Autorinnen und Autoren, Musikerinnen und Musikern, Regisseurinnen und Regisseuren und Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten.

15. Inwiefern waren Senat und Trägerverein in diese programmatischen Diskussionen über die Werkstatt eingebunden?

Zu 15.: Der Senat war über die Steuerung der Zuwendung durch die Abteilung III der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen - Der Integrationsbeauftragte des Senats - eingebunden, der Trägerverein über seinen Vorstand und seine Mitgliederversammlungen.

Berlin, den 20. September 2012

In Vertretung

Farhad Dilmaghani

Senatsverwaltung für Arbeit,

Integration und Frauen

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Sep. 2012)

 

 

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