Meine Rede im Parlament: Für Frieden in Europa!

Putin erweist sich als wortbrüchig auf der ganzen Linie und zerstört mit dem Angriff auf die Ukraine die Friedensordnung in Europa. In meiner Rede plädiere ich dafür, das spätestens jetzt wirklich harte wirtschaftliche Sanktionen zu ergriffen werden müssen. Ein erster wichtiger Schritt ist der Stopp des Genehmigungsverfahrens von Nord Stream 2. Es ist eine unverzeihliche Schwäche, aus kurzfristigen wirtschaftlichen Beweggründen in einem solchen Fall auf harte Sanktionen zu verzichten. Statt uns von den Gaslieferungen eines skrupellosen Machtmenschen abhängig zu machen, müssen wir uns in Deutschland und Europa in der Energieversorgung unabhängig machen. Wir können das, wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien energisch vorantreiben, er ist nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich und politisch notwendig. Hier in Berlin sind wir wieder bereit, Menschen aufzunehmen, die auch vor diesem Krieg, vor Zerstörung und politischer Verfolgung fliehen müssen. Ich freue mich und bin dankbar über die große Solidarität und Hilfsbereitsschaft aus der Zivilgesellschaft. 

 

Sehen Sie hier meine Rede im Video-Mitschnitt des rbb.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident!

Mit Entsetzen sehen wir auf das, was in der Ukraine passiert: Putin marschiert ein, er bombardiert Städte, eskaliert damit maximal seinen sinnlosen Konflikt mit der Ukraine und zerstört die Friedensordnung in Eu-
ropa. Putin erweist sich als wortbrüchig auf der ganzen Linie, hatte er sich doch seit 2014 zur vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen und den dazugehörigen Verhandlungsformaten bekannt, dem sogenannten Normandie-Format und der trilateralen Kontaktgruppe zur Vermittlung der OSZE. Das ist absolut verantwortungslos, es ist verbrecherisch.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir leben in Berlin in einer Stadt, die geprägt ist von Krieg und Flucht. Baulücken, Sportplätze, da, wo eigentlich alte Häuser stehen sollten – wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht die Spuren der Bomben bis heute. Geprägt sind wir auch durch die Menschen, die nach Berlin geflüchtet sind und ihre Kriegserfahrungen am Leib und in der Seele tragen: Syrerinnen und Syrer, Afghaninnen und Afghanen, Tschetschenen, um nur diese Gruppen zu nennen. Deswegen fordern wir Putin auf, sofort das Töten und Zerstören zu beenden und auf den Weg der diplomatischen und politischen Konfliktlösung im Sinne der Minsker Vereinbarungen zurückzukehren.

Ich halte es für absolut notwendig, spätestens jetzt wirklich harte wirtschaftliche Sanktionen zu ergreifen. Es sieht so aus, als ob Europa in dieser Frage zusammenstehen und sein ganzes gemeinsames ökonomisches und politisches Gewicht in die Waagschale werfen würde. Ein erster wichtiger Schritt ist der Stopp des Genehmigungsverfahrens von Nord Stream 2. Dass wir als Grüne Nord Stream schon immer falsch fanden, ist bekannt. Dass unsere Zweifel an der Verlässlichkeit Russlands als Gaslieferant berechtigt waren, ist heute Nacht dramatisch bestätigt worden. Dass ein Krieg Auswirkungen auf die im Rahmen der Zertifizierung des Transportnetzbetreibers zu prüfende Versorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union hat, liegt auf der Hand. Statt uns von den Gaslieferungen eines skrupellosen Machtmenschen abhängig zu machen, müssen wir uns in Deutschland und Europa in der Energieversorgung unabhängig machen. Wir können das, wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien energisch vorantreiben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Und mit Kernkraft!]

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist – und das sollten jetzt wirklich alle verstanden haben – eine ökologische, politische und wirtschaftliche Notwendigkeit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

So bewährt sich nun, dass derzeit Klima- und Wirtschaftspolitik in einer Hand sind. Es ist gut, dass überdies in diesem Punkt Bundeskanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und die Außenministerin an einem Strang ziehen. Es darf in Deutschland kein weiteres Zögern geben, wenn es um Sanktionen gegen Russland geht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Kai Wegner (CDU)]

Es ist nämlich keine Schwäche zu verhandeln und den diplomatischen Weg zu gehen. Es ist keine Schwäche, mit Wirtschaftssanktionen zu arbeiten, statt Waffen zu liefern; aber es ist eine unverzeihliche Schwäche, kurz und mittelfristige wirtschaftliche Einbußen zu scheuen in einer Situation, in der es um Krieg und Frieden geht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Ich muss in den letzten Tagen immer an die Menschen aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion denken, die hier in Berlin leben. Mit vielen habe ich jahrelang zusammengearbeitet, wenn es um die Rechte queerer Menschen ging, um die Versorgung der geflüchteten Tschetschenen. Ihre kontinuierliche jahre- und jahrzehntelange Kultur- und Versöhnungsarbeit hat Berlin zu einem besseren Ort gemacht. Ich bin bei ihnen zum ersten Mal in meinem Leben Stalingradüberlebenden begegnet – alte, fragile Männer, die immer noch die Verletzungen an sich tragen. Ich denke an sie in ihrer Angst um ihre Familien und ihre Freunde. Ich scheue mich, heute hier von „den Russen“ zu sprechen, denn ich habe von Mandelstam und von Ehrenburg über den Horror des Krieges und den Mut gelernt, Diktatoren zu widersprechen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Berlin ist heute wieder bereit, Menschen aufzunehmen, die auch vor diesem Krieg, vor Zerstörung und politischer Verfolgung fliehen müssen, so wie wir in den letzten Jahren bereit waren, Geflüchtete aus Libyen, Syrien und Afghanistan aufzunehmen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

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