Meine Rede zum Grünen Antrag "Verfassungsgemäße Überarbeitung des sogenannten „Neutralitätsgesetzes“ - 2. Lesung

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2015 entschieden, dass ein pauschales Verbot des Tragens religiöser und weltanschaulich konnotierter Kleidung durch Lehrkräfte im Schulalltag wie in §§ 2 und 3 des Berliner Neutralitätsgesetzes deren Grundrechte unverhältnismäßig einschränkt und deshalb mit der Verfassung nicht vereinbar ist. Berlin braucht endliche eine "Verfassungsgemäße Überarbeitung des sogenannten „Neutralitätsgesetzes. Von der schwarz-roten Koalition kmmt nichts. Sie verschleppen das Thema. Mit unserem grünen Antrag (Drucksache 19/1164) haben wir vorgelegt, doch leider wurde er nun in 2. Lesung im Parlament abgelehnt. 

 

Hier geht es zu meiner Rede im Parlament am 27.02.2025 / ab 6:02:30

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ideologie, das Wort haben wir ja heute schon oft gehört, erklärt das Kinderlexikon politischer Begriffe als eine, Zitat: "Weltanschauung, die für alle gesellschaftlichen Probleme die richtige Lösung behauptet“.

Desto starrer diese Ideologie ist, desto mehr hat man es mit Ideologinnen zu tun. Und Louis Krüger hat die Kampfankündigung des Staatssekretärs Liecke ja schon zitiert.

Aber gucken wir zehn Jahre zurück. Es gibt seit zehn Jahren das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das eine Änderung der Berliner Gesetzeslage zwingend erforderlich macht: Die Paragrafen 2 und 3 des sogenannten Neutralitätsgesetzes sind abzuschaffen. Frauen dürfen also an Berliner Schulen mit Kopftuch unterrichten.

Die Schulsenatorinnen haben in den letzten zehn Jahren über 140 000 Euro an Steuergeldern für Anwalts - und Verfahrenskosten ausgegeben, um diesem Urteil nicht Folge leisten zu müssen. Das ist unter der derzeitigen Koalition nicht besser geworden. Sie will rechtssicher und gerichtsfest, wie es heißt, das Gesetz ändern, ohne die Paragrafen 2 und 3 abzuschaffen. Angeblich gibt es sogar eine Arbeitsgruppe für dieses unmögliche Projekt, an dem Juristinnen nur scheitern können.

Das Karlsruher Urteil soll mit Ansage , mit einem Kniff, mit welchem Kniff auch immer, gegen seinen Sinn ausgelegt und für Berlin nicht umgesetzt werden. Das ist nicht nur verbohrt, das ist auch eine Respektlosigkeit gegen Karlsruhe ohnegleichen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wer bringt unseren Kindern eigentlich bei, dass Regeln für alle gelten und was ein Rechtstaat ist?

Wer dachte, dass die bisherigen Bildungssenate vom Ressentiment bestimmt waren, muss jetzt lernen, dass das alles noch weitergetrieben werden kann. Der Gründer der Initiative PRO Berliner Neutralitätsgesetz, bekannt durch seine Idee einer Meldestelle für religiöse Äußerungen von Schülerinnen , soll, so war es der Presse zu entnehmen, zukünftig für die Senatorin die politische Bildung kontrollieren. Ein Mann, der im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um seine Meldestelle, die zum Glück verhindert werden konnte, die angesehene Bundesarbeitsgemeinschaft religiöser Extremismus – BAG RelEx – verlassen musste, um seinem Ausschluss zuvorzukommen – zu unfachlich, zu unbelehrbar und zu destruktiv, Zusammenarbeit mit einer Tichy - Autorin. Noch konnte er seine Arbeit nicht aufnehmen. Aber was können wir von seiner Treue zum Grundgesetz erwarten und von einer Senatorin, die ihn einstellt und die jetzt schon aufräumt mit allem, was ihr politisch nicht passt?

Die Anfrage der CDU im Bund, übrigens die Kopie einer Anfrage der Berliner AfD-Fraktion,  [Anne Helm (LINKE): Richtig!] auch von dieser Anfrage war schon viel die Rede, zeigt, wo es hingehen soll. Die Zivilgesellschaft soll eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden. [Dennis Haustein (CDU): Absurd!] Aber: Wer die Zivilgesellschaft zerstört, zerstört die Demokratie!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Alle Argumente für die Abschaffung des Paragrafen 2 und 3 des sogenannten Neutralitätsgesetzes sind ausgetauscht – die rechtlichen, die pädagogischen, die diskriminierungstheoretischen. Aber wenn nicht einmal mehr Rabbiner an Neuköllner Schulen dürfen, solange sie in Begleitung von Musliminnen kommen, werden Spaltung und Abwertung weiter freie Bahn haben. Ein trauriger Beweis für den inneren Zusammenhang von Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus.

Ich gönne Ihnen am Schluss ein paar Formulierungen aus dem Verfassungsgerichtsurteil, klar in seiner Sprache, verpflichtet dem Geist des Grundgesetzes: „Glaubensfreiheit“ – so heißt es da –, ist „mehr als religiöse Toleranz, d. h.“ – als die – „bloße Duldung religiöser Bekenntnisse.“

Dass der Staat sich nicht mit einem Bekenntnis identifizieren darf, das ist die gebotene Neutralität. Im Grundgesetz ist eine, Zitat „offene, übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung des Staates grundgelegt“ und nicht nur eine, die innere Freiheit gewährleistet, sondern auch die äußere Freiheit sein – Zitat: „gesamtes Leben an den Lehren seines Glaubens auszurichten.“ Das gilt selbstverständlich auch für seine politischen Überzeugungen. Wir werden dafür eintreten, dass das auch weiterhin der Fall ist.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

 

Meine Erwiderung auf die Rede vom CDU-Abgeordneten Rissmann.

Natürlich haben Sie recht, dass verschiedene Rechtsgüter abgewogen werden müssen, aber das hat das Bundesverfassungsgericht getan, und das haben auch die nachfolgenden Gerichtsurteile des Arbeitsgerichts und so weiter. Das ist passiert. Da müssen Sie nicht beim Urschleim, sozusagen bei Friedrich dem Großen , anfangen, sondern da sind wir schon ein ganzes Stück weiter. [Tobias Schulze (LINKE): Er meinte Friedrich Merz!] – Dann verstehe ich das , okay

Das Zweite, das mich wirklich interessieren würde , ist, wie oft Ihre Arbeitsgruppe denn getagt hat und in welche Richtung das denn geht. Wir alle haben Vermutungen, dass Sie irgendwie versuchen, etwas mit dem Schulfrieden zu machen. Die Geschichte mit dem Schulfrieden ist aber insofern schwierig, als an unseren Schulen, wenn jemand religiöse Zeichen zeigt oder sich über Religion äußert, nicht die Person oder das Kind den Schulfrieden stört, sondern die, die keine Religion an den Schulen haben. Sie müssten sich also mit einer ganz anderen Zielgruppe beschäftigen, wenn Sie den Schulfrieden tatsächlich in dieses Gesetz einarbeiten wollen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass das in Ihrem Interesse ist, denn Sie wollen ja die religiöse n Bekundungen von Lehrerinnen und Kindern verbieten und eben nicht die Hetze derer, die keine sichtbare Religion in der Schule wollen. Obwohl ich noch mal zitiert habe, was das Bundesverfassungsgerichtsurteil feststellt, es geht nicht darum, Religion nur irgendwie zu dulden und sie möglichst unsichtbar zu machen, sondern wir müssen ertragen, dass Menschen, die religiös sind, diese Religion auch leben und dass das sichtbar ist und man damit umgehen muss, und zwar auch im Schulalltag..

Meine ganz einfache Frage ist also, wie oft Sie getagt haben und was bisher dabei herausgekommen ist, denn die Lehrerinnen, die Frauen und die Schulen hängen bisher in der Luft. Wenn Sie sagen, Religion ist eine ganz wichtige Frage – ich nehme das der C -Partei sowieso nicht ab, aber Sie haben jetzt mal so getan als ob, [Heiko Melzer (CDU): Tss!] und ich nehme das dann auf –, dann wäre es doch wichtig, diesen Menschen jetzt eine Rechtssicherheit zu geben. [Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

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