Rede: Zum Änderungsantrag: Für eine Berliner Verfassung, die auf den Gebrauch des Begriffs „Rasse“ verzichtet

Zum Antrag: Für eine Berliner Verfassung, die auf den  Gebrauch des Begriffs „Rasse“ verzichtet

Zum Änderungsantrag der Fraktion  Bündnis 90/Die Grünen , der Fraktion Die Linke  und der  Piratenfraktion: Für eine Berliner Verfassung, die auf den  Gebrauch des Begriffs „Rasse“ verzichtet

 

Meine Rede im Abgeordnetenhaus am 28. Mai 2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Antrag der Oppositionsfraktionen, den Begriff „Rasse“ aus der Berliner Verfassung zu streichen und durch eine Formulierung zu ersetzen, die das Verbot des Rassismus eindeutig fortschreibt, ist von der Koalition im Ausschuss leider abgelehnt worden. Nach einer Anhörung, zu der u.a. Vertreter der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland , des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien und des Deutschen Instituts für Menschenrechte eingeladen waren, sind die sachlichen Argumente eigentlich alle ausgetauscht. Es bleibt nur, das Bedauern meiner Fraktion darüber zu konstatieren, dass die Empfehlung, den Begriff zu ersetzen, keine Mehrheit gefunden hat. Die neue Formulierung –sie liegt auf Ihren Tischen –hätte gelautet: „Niemand darf rassistisch benachteiligt oder bevorzugt werden.“

In den Empfehlungen des UN-Antirassismus-Ausschusses an Deutschland vom 15. Mai 2015 wird ausdrücklich moniert, dass die ungenaue oder ausweichende Definition von rassistischer Diskriminierung in Deutschland negative Auswirkungen auf die Rechtsprechung und den Schutz vor Rassismus hat. Das betrifft das übliche Ausweichen auf Begriffe wie „Xenophobie“ oder „kulturelle Differenz“, aber auch den überholten Bezug auf das Konstrukt „Rasse“. Die von uns vorgelegte For-mulierung hätte klargestellt, dass Rasse nichts ist, womit man unbefangen arbeiten kann und worunter man, wie die Juristen sagen, subsumieren kann, ohne Gefahr zu laufen, dabei selbst zu diskriminieren. Die Formulierung, wie sie heute in der Verfassung steht, meint ja genaugenommen: Niemand darf wegen seiner Rasse, von der der Rassist annimmt, dass es sie gibt, benachteiligt oder bevorzugt werden – niemand darf also wegen einer Eigenschaft, die zu behaupten schon diskriminierend ist, benachteiligt oder bevorzugt werden. – Wir hätten klar formulieren können, was jetzt hinzugedacht oder erklärt werden muss. Schade, dass wir das nicht erreichen konnten!

Des Weiteren hätten wir gemäß den Empfehlungen des UN-Antirassismus-Ausschusses mit der neuen Formulierung zu einer Verbesserung des Schutzes der Opfer von Rassismus beigetragen. Unter den Begriff „rassistisch“ fallen nämlich nach internationalen Definitionen auch solche Handlungen,  Äußerungen, Gesetze oder Verwaltungsrichtlinien, die nicht direkt diskriminierend sind, sondern in ihrer Wirkung, also mittelbar. Es kommt nicht allein auf die Intention an, sondern auf die diskriminierende Wirkung. Man redet vom Verbot faktischer Diskriminierung. In der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird bereits nach diesem Prinzip geurteilt.

Zum Dritten hätten wir uns im Parlament mit der Verfassungsänderung dem gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs gegenüber als lernfähig erwiesen. Es gibt in der deutschen Diskussion – und das sollten wir alle begrüßen – ein gestiegenes Problembewusstsein. Dass der englische Begriff „race“ nicht mit „Rasse“ übersetzt werden kann, ist im wissenschaftlichen und publizistischen Kontext seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit. Das gehört zum Schulwissen. „Race“ impliziert eine Distanzierung von Rasse als biologistischer Konstruktion, die im deutschen Begriff „Rasse“ so nicht enthalten ist. Warum also konservieren die Koalitionsfraktionen einen Begriff, der im besten Sinne überholt ist?

Natürlich wird die Lebensrealität in Berlin nicht automatisch weniger rassistisch, wenn wir in der Verfassung die Begrifflichkeit ändern. Aber eine Verfassungsänderung wäre ein wichtiger und nicht nur symbolischer Schritt gewesen. Die Empfehlung der UN macht das deutlich. Wir bedauern daher Ihre Ablehnung unseres Antrags. Sie ist provinziell. Selbst in Brandenburg konnten sich alle Fraktionen mit Ausnahme der CDU zu einer Änderung durchringen. Ich kann nur hoffen, dass wir in Zukunft unseren Verfassungstext seiner ursprünglichen Intention folgend aktualisieren können. –Vielen Dank!

Zum Antrag: Für eine Berliner Verfassung, die auf den  Gebrauch des Begriffs „Rasse“ verzichtet

Zum Änderungsantrag der Fraktion  Bündnis 90/Die Grünen , der Fraktion Die Linke  und der  Piratenfraktion: Für eine Berliner Verfassung, die auf den  Gebrauch des Begriffs „Rasse“ verzichtet

 

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