Rede zum Antrag "Karnevals-Fond einrichten"

Herr Präsident/Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

meine Fraktion hat den Antrag eingebracht, einen Fonds einzurichten, an den Gruppen, die sich am Umzug des Karneval der Kulturen beteiligen wollen, einen Antrag stellen können, um Zuschüsse zu Sachkosten zu erhalten. Eine Sache, die es schon längst geben sollte, in dieser Stadt, in der für Fehlplanungen immer genug Geld da ist.

Der Karneval der Kulturen ist neben dem CSD eine der größten Veranstaltungen in Berlin und auch beim Karneval zeigt sich Berlin von seiner besten Seite: Kreativ, multikulturell, selbstbewusst. Nichts und niemand ist beim Karneval anders oder der/die andere - außer vielleicht ein paar Touristen, die sich möglicherweise wundern, warum Japanerinnen in der Sambagruppe und Afrikanerinnen im Dirndel auftreten. Zeitgenössische Musik und Kultur in Berlin sind längst transkulturell, postmigrantisch, crossover … wie immer man das nennen möchte, und in der Idee des Karneval ist das in idealer Weise reprästentiert.

Den Karneval als einen Ausnahmezustand für Stunden oder Tage gibt es in vielen Kulturen weltweit. Im europäischen Kontest steht dabei im Mittelpunkt, dass Herrschaftsverhältnisse umgekehrt werden und Grenzüberschreitungen erlaubt sind: Sozial, kulturell, zwischen den Geschlechtern. In anderen Karnevalstraditionen geht es mehr darum, dass die Gesellschaften ihre Kreativität und Vitalität zur Schau stellen und sich selbst zu feiern.

Beim Berliner Karnevals-Umzug gehen alle diese Elemente eine Mischung ein: Auch viele Kulturen, die keine eigene Karnevals-Tradition haben, beteiligen sich mittlerweile am Umzug, weil sie die Idee des Karneval für sich übernommen haben: Die Vielfalt der Kultur in Berlin sichtbar zu machen. Seit 1996 ist die Zahl der am Umzug beteiligten Menschen von ca. 2.200 auf 4.500 angestiegen, das sind zwischen 90 und 100 Gruppen.

Ohne diese Gruppen, die sich beim Umzug in Kostümen und auf den Wagen tanzend und mit Musik über die fünf Kilometer lange Strecke kämpfen, die monatelang gemeinsam entwerfen, bauen, nähen, proben würde es keinen Karneval der Kulturen geben – das Straßenfest und das riesige Rahmenprogramm machen alleine keinen Sinn. Und es ist der Umzug, der die Besucher_innen nach Berlin zum Karneval zieht.

Aber während für den CSD schon zwei mal eine Besucheranalyse erstellt wurde, gibt es für den Karneval bisher keine einzige. Eine Besucheranalyse wäre für das Einwerben von Sponsoring ein großer Vorteil. Das Karneval-Büro ist zwar vor einigen Jahren auf die Idee gekommen, Gruppen und lokale Sponsoren zusammen zu bringen unter dem Motto: „Samba sucht Trecker“. Eine tolle Idee, bei der kleinere Firmen oder der Gemüsehändler aus der Nachbarschaft seinen Wagen zur Verfügung stellen und dafür mit ihrem Schriftzug beim Umzug zu sehen ist. Aber so gut diese Idee ist, sie hilft nur den kleineren Gruppen. Und es kann auch kein Ziel sein, den Karnevals-Umzug mehr fürs Sponsoring freizugeben und dann statt Karneval eine Parade der Firmenamen zu erleben – keiner will das.

Die Werkstatt der Kulturen bekommt vom Senat 270.000 €. Die Organisation von Umzug und Straßenfest kosten 750.000 €. 350.000 € wird durch das Straßenfest erwirtschaftet, die verbleibende Differenz wirbt das Karnevals-Büro jedes Jahr über Sponsoring ein. Dank an das Karnevals-Büro für diese Leistung!

Die Gruppen aber finanzieren sich ganz alleine. Und hier kommt der Fonds ins Spiel: Die Attraktivität des Karnevals-Umzugs steht und fällt mit den fantastischen Formationen und den Wagenaufbauten. Das ist es, was die Besucher an die Strecke zieht und deshalb kommen Menschen über Pfingsten nach Berlin. Die künstlerische Qualität und die Aufwändigkeit der Choreographien und Masken, der Dekorationen und Kostüme steht in einem direkten Verhältnis zum finanziellen Gewinn, den der Karneval für Berlin erbringt. Die Investitionsbank Berlin/Brandenburg (IBB) hat in einem Gutachten für die Jahre 2001 bis 2011 ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von 53,2 Mio. EUR errechnet und schätzt die erhaltenen bzw. geschaffenen Arbeitsplätze in Berlin auf 220. Allein die öffentlichen Einnahmen werden von der IBB mit 4,2 Mio. EUR beziffert. Davon wollen wir einen Teil an die Gruppen geben.

Wir fordern den Senat auf, einen Fonds aufzulegen, bei dem sich Gruppen bewerben können, um finanzielle Hilfe für ihre Sachkosten zu bekommen. Dafür müssen ein Verfahren und Kriterien der Förderfähigkeit entwickelt werden, so dass Highlights erhalten werden und nicht nach einigen Jahren erschöpft aufgeben müssen, aber auch immer wieder neue Gruppen ihre Chance bekommen. Die Auswahl sollte eine wechselnde fachkundige Jury treffen, die den künstlerischen und soziokulturellen Wert der Formationen beurteilt.

Wir haben grundsätzlich das Problem in dieser Stadt: Die Kreativen auf allen Gebieten, aber auch die Projekte und Initiativen, die die Stadt lebenswert und attraktiv machen, die innovativ sind und einen enormen sozialen sowie kulturellen Gewinn schaffen, sind nicht die, die von dieser Arbeit dann auch profitieren. Unser Antrag ändert das nicht umfassend – aber er bietet die Lösung für eins der konkreten Probleme. Deshalb bitten wir um Ihre Zustimmung für unseren Antrag.

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