Rede zum Reformationsjubiläum 2017 als Feiertag

Das Anliegen, den 31. Oktober 2017 als gesetzlichen Feiertag zu begehen berechtigt, um an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren zu erinnern. Die Bedeutung der Reformation für Moderne und Aufklärung, für Gewissens- und Redefreiheit steht außer Zweifel. In der Vorbereitung auf den Feiertag würde ich mir jedoch eine Debatte über Erinnerungskultur im Allgemeinen wünschen. Es gibt historische Ereignisse, an die kaum oder nur nebenbei gedacht werde. Zum Beispiel die Berliner Afrika-Konferenz, den Völkermord an den Armeniern sowie weitere Gedenk- und Festtage der "globalisierten Einwanderungsgesellschaft".

 

Meine Rede im Abgeordnetenhaus am 25. Juni 2015 (Videomitschnitt)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bedeutung der Reformation für Moderne undAufklärung steht außer Zweifel. Gewissens- und Redefreiheit in Europa sind von den Reformatoren erkämpft worden. Auch und gerade die, die sich gegen diesen freien Tag im Jahr
2017 aussprechen, profitieren von den Auseinandersetzungen und Kämpfen, für die der Thesenanschlag steht. Damit ist klar, dass das 500-jährige Jubiläum des Thesenanschlags durch Martin Luther 2017durchaus ein Tag ist, der berechtigterweise als allgemeiner Feiertag gelten kann.
Das heißt, alle Berlinerinnen und Berliner haben frei, auch die, die nicht zur evangelischen Kirche gehören.

Im Gesetzentwurf werden – ganz so, wie es sein muss – auch die möglichen Kosten dargestellt, die so ein freierTag verursachen könnte. Das ist in diesem Fall nicht ganz ohne Ironie, denn in der  Kostenabschätzung kommt die säkulare Form eines protestantischen Arbeitsethos zum Ausdruck, über das man an diesem freien Tag ruhig mal nachdenken könnte. 

Man hätte Zeit, um vielleicht Max Weber oder Calvin zu lesen. Wir brauchen Tage, an denen wir ohne „Schaffe“ und „Häusle bauen“ die Aufmerksamkeit darauf lenken können, uns mit unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Ich würde mir in der Vorbereitung darauf eine Diskussion
über Ereignisse wünschen, die wir nicht oder zu sehr nebenbei begehen. Was ist mit dem Tag der AfrikaKonferenz und der Erinnerung an die Kolonialgeschichte Berlins? Was ist mit dem 29. Januar? Was ist mit großen religiösen Festen der nicht christlichen Religionen?

Das Iftar-Essen und das Kulturprogramm in den Nächten des Ramadan sind in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil der Festkultur Berlins geworden. Und das geht auch in die richtige  Richtung. Ein gutes Beispiel für die Erinnerungskultur in der globalisierten Einwanderungsgesellschaft war auch die diesjährige Debatte im Bundestag zum 100. Jahrestag des Genozids an den Armeniern. Ich wünsche mir in Berlin eine Entwicklung, in der sich die Vielfalt der Perspektiven auf die Stadt auch in der Vielfalt von Gedenken und Feiern abbildet, und wenn die Diskussion über diesen speziellen Feiertag uns in dieser Richtung weiterbringt, dann ist das ein Gewinn für alle.

 

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