Kleine Anfrage und Antwort: Interkulturelle Öffnung der Feuerwehr

Das Druckdokument zur Kleinen Anfrage: Interkulturelle Öffnung der Feuerwehr (ka17 / 11919) finden Sie hier.

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund bezogen auf den mittleren, gehobenen und höheren Dienst bei der Berliner Feuerwehr? (Bitte getrennt tabellarisch auflisten auch nach Geschlecht und Alter)
Zu 1.: Zum prozentualen Anteil der Dienstkräfte mit Migrationshintergrund können keine Angaben gemacht werden, weil ein möglicher Migrationshintergrund nicht erfasst wird. Die Berliner Feuerwehr hat Anfang des Jahres 2010 eine interne Umfrage über Fremdsprachenkenntnisse und Migrationshintergrund unter den Beschäftigten der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr durchgeführt. Bei dieser freiwilligen Umfrage gaben 16 v.H. der Teilnehmenden an, dass mindestens ein Elternteil nicht aus Deutschland stammt. Da sich nur 20 v.H. der Dienstkräfte an der Umfrage beteiligten, ist dieses Ergebnis statistisch allerdings nicht aussagekräftig.

2. Was hat sich an der Einstellung in eine Laufbahn des feuerwehrtechnischen Dienstes seit dem Zweiten Ge-setz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften geändert?
Zu 2.: Mit der Neufassung der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes (FwLVO) vom 20. November 2012 wurden keine wesentlichen Änderungen der Einstellungs-voraussetzungen vorgenommen. Die Änderungen in § 3 Abs. 1 und 2, § 7 Abs. 1 und 2 und § 20 Abs. 1 FwLVO betrafen lediglich Anpassungen an neue Rechtsbegriffe oder Konkretisierungen.

3. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund? (Bitte für die letzten fünf Jahre angeben.) Wie hoch war der Anteil bei den Bewerberinnen und Bewerbern und bei den Auszubildenden, die die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben?
Zu 3.: Zu den prozentualen Anteilen der Brandmeister-Anwärterinnen und -Anwärter mit Migrationshintergrund können keine Angaben gemacht werden, weil die Angabe eines möglichen Migrationshintergrunds weder für die Ernennung noch während des Dienstverhältnisses erforderlich ist und deshalb auch nicht erfasst wird. Lediglich Bewerberinnen und Bewerber werden seit dem Bewerbungsjahr 2011 gebeten, im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung freiwillig einen Migrationshintergrund anzugeben. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die Bewerbungen für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst in den beiden Zugangsmöglichkeiten 112Classic (mit zuvor abgeschlossener Berufsausbildung) und 112Direkt (Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit mittlerem Schulabschluss, aber ohne abgeschlossene Berufsausbildung). Immer zum 01. September eines jeden Jahres werden Nachwuchskräfte für die Ausbildungsgänge 112Classic und 112Direkt eingestellt. Zum 01. März eines jeden Jahres erfolgt ausschließlich die Einstellung im Ausbildungsgang 112Classic, so dass die Bewerbungszahlen zum März niedriger sind. Für den Einstellungstermin 01. September 2011 haben sich insgesamt 1354 Personen online registriert. Davon gaben 459 Personen (davon 12 Frauen) einen Migrations-hintergrund an. Dies entspricht einem Anteil von 33,9 v.H. der Bewerbungen. Für den Einstellungstermin 01. März 2012 haben sich insgesamt 726 Personen online registriert. Davon gaben 127 Personen einen Migrationshintergrund an. Dies entspricht einem Anteil von 17,5 v.H. der Bewerbungen. Für den Einstellungstermin 01. September 2012 haben sich insgesamt 1063 Personen online registriert. Davon gaben 254 Personen einen Migrationshintergrund an. Dies entspricht einem Anteil von 23,9 v.H. der Bewerbungen. Für den Einstellungstermin 01. März 2013 haben sich insgesamt 666 Personen online registriert. Davon gaben 96 Personen (davon 5 Frauen) einen Migrationshinter-grund an. Dies entspricht einem Anteil von 14,4 v.H. der Bewerbungen. Für den Einstellungstermin 01. September 2013 haben sich insgesamt 1023 Personen online registriert. Davon gaben 210 Personen (davon 4 Frauen) einen Migrationshintergrund an. Dies entspricht einem Anteil von 20,5 v.H. der Bewerbungen.

4. Wie viele Teilnehmende wurden im Projekt „Einsatz Berlin – Perspektiven für junge Menschen in der Feuerwehr“ ausgebildet? (Bitte getrennt nach Jahren, Ge-schlecht und Migrationshintergrund auflisten.) Wie viele Bewerberinnen und Bewerber gab es und wie viele Teil-nehmerinnen und Teilnehmer haben einen erfolgreichen Abschluss gemacht?
Zu 4.: Erster Probelauf (1. März 2010 – 31. August 2011): Von zehn Teilnehmern (sämtlich männlich) haben alle die erste Stufe bestanden und wurden zu Brandmeister-Anwärtern ernannt. Kein Teilnehmer hatte einen Migrationshintergrund. Zweiter Probelauf (1. September 2010 – 29. Februar 2012): Von einer Teilnehmerin und siebzehn Teilnehmern hatten fünf Teilnehmer einen Migrationshintergrund (1 x arabisch, 1 x russisch, 1 x serbisch, 2 x türkisch). Alle haben die erste Stufe bestanden und wurden zur Brandmeister-Anwärterin bzw. zu Brandmeister-Anwärtern ernannt. Dritter Probelauf (1. September 2011 – 28. Februar 2013): An dem dritten Probelauf nahmen neun Nachwuchskräfte teil (darunter einer mit polnischem und einer mit türkischem Migrationshintergrund). Alle neun Nach-wuchskräfte (darunter keine Frau) bestanden die erste Stufe und wurden zu Brandmeister-Anwärtern ernannt.
Als zweite Stufe schließt sich der reguläre Vorbereitungsdienst für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst an. Dieser Vorbereitungsdienst dauert zwei Jahre. Die Teilnehmer des ersten Probelaufs werden den Vorbe-reitungsdienst daher erst am 31. August 2013 beenden (1. September 2011 bis 31. August 2013).

5. Wie hoch ist der Prozentsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Berliner Feuerwehr, die in den letzten 5 Jahren an einer interkulturellen Schulung teilgenommen haben? (Bitte getrennt nach Alter, Dienstgrad und Umfang der Schulung auflisten.)
Zu 5.: Die Berliner Feuerwehr schult seit 2009 sämtliche Nachwuchskräfte bereits während des Vorbereitungs-dienstes in verschiedenen Aspekten interkultureller Kompetenz. Der Vorbereitungsdienst des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes enthält drei Module, in denen interkulturelle Kompetenz vermittelt wird: 1. Kommunikative und soziale Kompetenzen: The-men: Islamische Religion, Struktur islamischer Familien, Verhaltensregeln, Rolle Mann und Frau, Ehre der Frau. 2. Kommunikation und Umgang mit türkischen Mit-bürgerinnen und Mitbürgern im Einsatz: Themen (nur als Beispiel): Familienoberhaupt einbeziehen, Dolmetscher finden, Schuhe in der Wohnung tragen. 3. Einsatztraining Eigensicherung: Situationstraining „verletzte strenggläubige muslimische Frau“ mit anschließender Videoauswertung (Themen: Rolle des Ehemannes, Ehre der Frau, medizinische Untersuchung, Erörterung möglicher Lösungsansätze). Diese Module werden von allen Nachwuchskräften während ihrer Laufbahnausbildung besucht. Bei einer durchschnittlichen Einstellungszahl von 120 Brandmeisteranwärterinnen und Brandmeisteranwärtern wurden somit in den vergangenen fünf Jahren rund 600 Nachwuchskräfte geschult. Allein diese Schulungen erreichten derzeit bereits rund 20 v.H. aller Einsatzkräfte (bezogen auf die in Funktionen des Einsatzdienstes eingesetzten rund 3000 Einsatzkräfte). Der von der Feuerwehr eingeschlagene Weg, alle Nachwuchskräfte zu schulen, ist sinnvoll. Das Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt bei der Teilnahme aufgrund der Einstellungskriterien in der Regel zwischen 20 und 30 Lebensjahren. Darüber hinaus wurden anlassbezogen Fortbildungen zur Verbesserung der interkulturellen Kompetenz durchgeführt, so zum Beispiel unter anderem für die Mentorin-nen und Mentoren in dem Projekt „Einsatz Berlin“. Die Inhalte vermittelten den Kulturbegriff, Werte, Generali-sierungen, Stereotype und Vorurteile, kulturbedingte Un-terschiede der Wahrnehmung und interkulturelle Konfliktstile. Die Ausbildungsteile sind jeweils mehrstündig und werden während des Vorbereitungsdienstes in geeigneter Weise immer wieder aufgegriffen. Die Fortbildungen in interkultureller Kompetenz sind ein- bis zweitägig. Da die weitere Verbesserung der interkulturellen Öff-nung auch von den Führungskräften der Berliner Feuerwehr umgesetzt werden soll, wird es in diesem Jahr eine Schulung des gesamten höheren Dienstes zum Thema Interkulturelle Öffnung geben.

6. Hält der Berliner Senat die Bemühungen der Berliner Feuerwehr bezüglich der interkulturellen Öffnung für ausreichend?                                                    Zu 6.: Die Berliner Feuerwehr hilft allen Hilfebedürftigen schnell, zuverlässig und professionell und gänzlich unabhängig von dem religiösen Bekenntnis, der ethni-schen Herkunft oder dem Geschlecht. Diese Offenheit und der gelebte Wille zur Gleichbehandlung ist – wenn man „ausreichend“ auf Schulnoten bezieht – deutlich besser als ausreichend.

7. Was gedenkt der Berliner Senat zu tun, um die Berliner Feuerwehr bei der interkulturellen Öffnung zu unterstützen?
Zu 7.: Schon im Jahr 2009 wurde in der Verordnung über die Ausbildung und die Prüfung für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst (APOmDFw) verankert, dass die interkulturelle Kompetenz der Nachwuchskräfte bereits während der Ausbildung berufsbezogen erweitert wird (§ 6 Abs. 1 APOmDFw). Der Ansatz, bereits die Nachwuchskräfte in die interkulturelle Öffnung einzube-ziehen, wird nach wie vor als richtig angesehen. Darüber hinaus bietet die Berliner Feuerwehr auch erfahrenen Kräften entsprechende Fortbildungsmaßnahmen an. Obgleich die zielgerichtete und aufwändige Werbung im Rahmen des Projektes „Einsatz Berlin“ nicht in dem erwarteten Umfang zu Bewerbungen von jungen Menschen mit Migrationshintergrund geführt hat, wird ein Ansatz zur interkulturellen Öffnung weiterhin die Gewinnung von Nachwuchskräften mit Migrationshintergrund sein. Ein weiterer Ansatz ist es, Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt für den ehrenamtlichen Einsatz bei der Freiwilligen Feuerwehr in Berlin zu motivieren.
Im Jahr 2011 hat die Senatsverwaltung für Inneres und Sport das Projekt "PROTECT - Lernen und helfen im Ehrenamt" initiiert. Hauptziel des von der Europäischen Kommission geförderten Verbundprojektes ist es, die Leistungsfähigkeit des Katastrophenschutzes in Berlin durch eine gezielte Nachwuchsgewinnung für das Ehrenamt im Katastrophenschutz sicherzustellen. An diesem Projekt ist die Berliner Feuerwehr als Katastrophenschutzbehörde beteiligt. Zielgruppe sind Migrantinnen und Migranten. Personen mit Migrationshintergrund können durch ihren Einsatz im Katastrophenschutz nicht nur zwischenmenschliche Kontakte knüpfen und sich als Teil einer wichtigen Gemeinschaft erfahren. Sie erwerben auch Kenntnisse und Fertigkeiten, die Perspektiven für Berufswahl und -qualifizierung eröffnen können. Ziel dieses Projektes ist es aber auch, die im Katastrophenschutz Berlins aktiven Hilfsorganisationen im interkulturellen Bereich zu sensibilisieren und die interkulturellen Kompetenzen der jeweiligen Führungskräfte zu entwickeln und zu stärken.

8. Wie, durch wen und mit Mitteln in welcher Höhe wurde der Prozess der interkulturellen Öffnung der Feuerwehr evaluiert?
Zu 8.: Eine Evaluation wird, wenn sie erforderlich ist, im Rahmen der Qualitätssicherung durch die Feuerwehr selbst durchgeführt oder durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport als aufsichtsführender Stelle. Die Methoden sind immer von den zu evaluierenden Maßnahmen abhängig. Sie werden anlassbezogen festgelegt. Im Rahmen des Projektes „Einsatz Berlin“ wurden zum Beispiel statistische Methoden angewandt, Bewerberinnen und Bewerber befragt und Stellungnahmen von beteiligten Dritten angefordert. Daran war der externe Projektpartner „Berliner Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (BGZ)“ wesentlich beteiligt. Die Berliner Feuerwehr nutzt auch in Forschungsprojekten die Möglichkeit, Aspekte der interkulturellen Öffnung mit zu untersuchen. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt: „Professionelle Integration von freiwilligen Helfern in Krisenma-nagement und Katastrophenschutz (Inka)“ in ihrem Teilvorhaben „Freiwilligenintegration in Feuerwehren“ sind entsprechende Überlegungen eingeflossen. Die Möglichkeiten, den Teilnehmerkreis durch verstärkte Einbeziehung von jungen Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund zu erweitern, ist durch die Erforschung der relevanten Faktoren wie z.B. die Vereinbarkeit von Berufsausbildung, Familie, Freundeskreis und Ehrenamt zu ermitteln. Gleichzeitig müssen die Anreizsysteme für das Ehrenamt aus heutiger Sicht betrachtet, bewertet und in ein Veränderungsmanagement integriert werden. Durch den wissenschaftlichen Vergleich der Verfahrensweisen mit anderen Ländern soll eine Optimierung der bisher angewendeten Verfahrensweisen und Abläufe erfolgen (Best Practice). Mittel für die Evaluation einzelner Maßnahmen durch externe Anbieter stehen in aller Regel nicht zur Verfügung.

9. Welche Erkenntnisse wurden seit Februar 2012 in welcher Art und Weise aus dem Praxishandbuch für die Berliner Verwaltung bei der Berliner Feuerwehr implementiert?
Zu 9.: Das im Praxishandbuch für die Berliner Verwaltung beschriebene Verständnis einer „Dienstleistungs-verwaltung“ und die damit einhergehende Kundenorientierung gegenüber Migrantinnen und Migranten werden bei der Berliner Feuerwehr aufgrund der oft lebenswichtigen Einsätze für hilfebedürftige Migrantinnen und Migranten schon länger thematisiert.
Das Projekt „Einsatz Berlin“ war ein erster Zugang zu der Thematik, in dem man versucht hat, Menschen verschiedener Herkunft für die Berliner Feuerwehr als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, um auch auf diesem Wege Sprach- und Kulturbarrieren zu überwinden.
Durch die seit 2001 durchgeführten Ethik-Seminare und die seit 2009 zusätzlich durchgeführten Lehrgänge und Praxisübungen bei den Brandmeisteranwärterinnen und Brandmeisteranwärtern wird der Weg, das Personal auf die Anforderungen einer durch Vielfalt geprägten Gesellschaft vorzubereiten, weiter verfolgt. Die Berliner Feuerwehr besteht auch bei ihren Auswahlverfahren (insbesondere bei Einstellungen) auf geschultes Auswahlkommissionspersonal. Die Betroffenen müssen sich einer Beobachterschulung unterziehen, um mögliche Wahrnehmungsverzerrungen durch eigene Stereotype zu minimieren, damit Bewerberinnen und Bewerber – auch mit Migrationshintergrund – nicht benachteiligt werden.
Auch das Projekt „Inka“ sowie das Projekt „Protect“, das von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport initiiert wurde, tragen zur gewünschten interkulturellen Öffnung der Feuerwehr bei.

Berlin, den 20. Mai 2013
Frank Henkel
Senator für Inneres und Sport
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Jun. 2013)

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