Mein Kommentar zu den Änderungen bzgl. direkter Demokratie im neuen Grundsatzprogramm der Grünen

Es ist enttäuschend, dass bundesweite Volksentscheide nicht mehr im neuen Grundsatzprogramm genannt werden. Es ist ein falsches Signal, das da vom Bundesvorstand gesendet wurde: Demokratie verteidigt man nur mit mehr Demokratie, nicht mit einer ängstlichen Einschränkung.

Ich teile die Argumentation für die Streichung der alten grünen Forderung nach bundesweiten Volksbegehren nicht. Denn Volksbegehren und Bürger*innenräte sind keine entweder-oder-Instrumente, wie von Robert Habeck dargestellt. Eine Koexistenz beider Instrumente ist nicht nur möglich, sondern auch wünschenswert. Denn sie ergänzen sich in Ihrem Wirken und führen dazu, dass sich Bürger*innen direkt und aktiv einbringen können. Ein Ergebnis des bundesweiten Bürgerrates 2019 war u.a. die Forderung nach Volksbegehren auf Bundesebene! (hier der Link) Nur Volksbegehren garantieren, dass Bürger*innen auch verbindlich mitentscheiden können. Volksentscheide abzulehnen, da diese die Möglichkeit bergen, dass dadurch auch regressive Entscheidungen getroffen werden, wie Habeck und Trittin argumentieren, halte ich für verkehrt. Auch sehe ich nicht, dass Instrumente der direkten Demokratie die repräsentative Demokratie schwächen. Ganz im Gegenteil! Durch die Möglichkeit, direktdemokratisch Themen in den Fokus zu setzen, werden Menschen motiviert sich für Politk zu interessieren und sich für Ihre Ideen einzusetzen. Das Zusammenspiel von repräsentativer und direkter Demokratie wirkt aktiv der Politikverdrossenheit entgegen. Natürlich ist es möglich, dass durch Volksentscheide auch regressive Entscheidungen getroffen werden, das muss eine Demokratie aushalten. Durch gute, auch auf den Landesebenen in der Praxis erprobte Systeme, wird allerdings sichergestellt dass nur Volksentscheide die letzte Stufe erreichen können, hinter deren Inhalte eine breite Masse an Bürger*innen steht.

Ein Volksbegehren ist eine Initiative, die von den Bürger*innen ausgeht und sich strengen Kriterien bzgl der Rechtmäßigkeit der Forderungen und der Einhaltung der Verfahren unterziehen muss. Auf Landesebene funktioniert das Instrument gut, und führt, wie in Berlin zu sehen, dazu, dass sich Bürger*innen aktiver engagieren. In Berlin wird jedes Volksbegehren auf seine Rechtmäßigkeit geprüft. Es kann nichts zur Abstimmung gestellt werden, was illegal oder gar gegen die Verfassung wäre. Es gibt zudem eine Kostenschätzung, damit die Bürger*innen wissen, welche Kosten entstehen können, wenn sie für eine Sache unterschreiben.

Ein Volksbegehren muss sich selber finanzieren und die gesamte Öffentlichkeitsarbeit selber machen, die Bürger*innen stehen auf der Straße , reden und sammeln Unterschriften. Das bereichert Demokratie, dadurch werden die Diskussionen angeregt. Darin liegt der himmelweite Unterschied zu einer Befragung „von oben“, wie sie der Brexit oder auch die Befragungen zur Europäischen Verfassung waren.

Ein solches basisdemokratisches Verfahren auf der Bundesebene wäre – wenn es ähnlich gestaltet würde, wie in Berlin und anderen Bundesländern - noch einmal aufwändiger für die Bürger*innen als auf der Landesebene. Aber dieser „Wirbel“ tut unserer Demokratie gut.

Aber wir bleiben dran – Fehlentscheidungen können in Wahlprogrammen und spätestens in der nächsten Überarbeitung des Grundsatzprogramms korrigiert werden. Das knappe Abstimmungsergebniss der BDK und die vielen Diskusssionen zeigen, dass das Thema noch lange nicht vom Tisch ist.

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