Meine Rede zum AfD-Antrag: "Staatliche Anerkennung des Kirchenasyls unverzüglich beenden"

Diesen Antrag der AfD lehnen wir aber selbstverständlich ab.

 

Hier geht es zur Videoaufzeichnung meiner Rede im Parlament am 09.10.2025 I 

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sechs Wochen nach dem Tag des Kirchenasyls, der war vor acht Wochen, am 30. August 2025, kommt dieser Antrag und gibt mir die Gelegenheit, zu dieser wichtigen christlichen Institution zu sprechen.

Ausgerufen hat den Tag die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche im Jahr 2019. Sie erinnert damit an den 23-jährigen politischen Flüchtling Cemal Kemal Altun. Dieser hatte sich 1983 in Berlin
während seiner Verhandlung aus Angst vor der Abschiebung in die Türkei aus dem Fenster gestürzt. Seine Akten waren von den deutschen Behörden an die Türkei weitergegeben worden. „Die haben ihn verpfiffen“, hat später Bundesaußenminister Genscher dazu gesagt, und dieses Genscher-Zitat stammt aus dem Geleitwort von Wolfgang Wieland, dem Anwalt von Herrn Altun und späteren Justizsenator von Berlin, in einer Gedenkschrift zum 20. Todestag seines Mandanten 2003. Seitdem sind viele Menschen als Folge der Abschiebepolitik Deutschlands zu Tode gekommen, körperlich oder seelisch verletzt worden.

Kurz nach Altuns Tod begann das erste Kirchenasyl in der Berliner Heilig-Kreuz-Gemeinde. Die aktuelle Informationsbroschüre für Gemeinden, Klöster und Kommunitäten, die Geflüchteten Asyl gewähren wollen, bietet
nicht nur die notwendigen praktischen und rechtlichen Hinweise, sondern es sind ihr auch zwei Zitate vorangestellt, die ich zitieren möchte, mit Erlaubnis der Präsidentin: Der „Schutz von Menschen vor Lebensgefahr“
gehört „zum christlichen Kernauftrag.“ – Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der EKD, 2014, und weiter – Zitat –: „Weit davon entfernt, den Rechtsstaat in Frage zu stellen, können Kirchenasyle … einen Beitrag dazu leisten, das oberste Ziel des Rechts zu verwirklichen: den Schutz der Menschenwürde.“ – Zitat Ende. – Gesagt hat das Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und damit ist eigentlich alles gesagt.

Die Kirchen beantworten für sich die Frage, wie wir leben wollen, so, dass Menschenwürde und Barmherzigkeit – und auf diese bezieht sich Bischof Stäblein, den ich jetzt aber nicht auch noch zitieren möchte – die Grundlage sein sollten, nicht rassische oder völkische Einheit, nicht „weiße Deutsche zuerst“. Die Kirchen sind in der Flüchtlingsfrage eindeutig.

Grundsätzlich ist es so, dass Kirchen und Religionen das Recht haben, Dinge anders zu bewerten als Politik, solange sie nicht aufrufen, geltendes Recht zu brechen – das kann einem gefallen oder nicht –: was gegessen werden darf und was nicht, wer ohne Privateigentum in Kommunitäten lebt, wer sich bedeckt oder nicht, wann man arbeitet oder wann man nicht mal den Lichtschalter anfassen will, wie man beerdigt sein will; überhaupt, was sinnvoll und richtig ist. Das Kirchenasyl ist ein besonderer Fall dieser Eigenwilligkeit von Religion gegenüber dem säkularen Recht insofern, als sich der Staat hier zurücknimmt. Übrigens hat er das seit der Antike auch den Tempeln gegenüber getan und das Recht gewährt, Menschen aufzunehmen und zu schützen.

Mir ist durchaus bewusst, dass es auch in den Kirchen Menschen gibt, die das anders sehen und eine unbarmherzige Haltung in Sachen Kirchenasyl und Familiennachzug wollen. Das sollen aber die Kirchen intern ausmachen. Ich halte mich an die offizielle Linie. Ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir die Haltung der Kirchen unterstützen, weil sie hier die Frage: Wie wollen wir miteinander umgehen? – auf eine Weise beantwortet, die auch für uns politisch maßgeblich ist. Kirchenasyl ist gut für die Menschen, die es erhalten, aber auch gut für uns alle,

[Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

um der Verhärtung, der Abschottung, der Mitleidlosigkeit und dem Rassismus Widerstand zu leisten, der Europa mehr und mehr vergiftet.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Jeannette Auricht (AfD)]

 

Hier finden Sie die Verschriftlichtung meiner Rede im Plenarprotokoll.

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