Rede zum Thema der nachhaltigen Sicherung des Karnevals der Kulturen

Mein Kommentar zur Diskussion im Abgeordnetenhaus über den Karneval der Kulturen, eine der großen Kultur-Veranstaltungen in Berlin: Ich war danach noch skeptischer, ob da für 2015 noch etwas zu machen ist. Die Senatorin hat dem Kulturstandort Berlin schwer geschadet. Das steht jetzt schon fest.

Meine Rede im Abgeordnetenhaus am 29. Januar 2015 (Videomitschnitt des rbb)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist sehr viel schwieriger, etwas wieder in Ordnung zu bringen, als es gleich von Anfang an richtig zu machen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Genau das ist das Problem beim Karneval der Kulturen. Er wurde seit Jahren von einem Träger veranstaltet, der auf seiner Website schreibt: Wir können mehr als Karneval.– und sich so von einer ungeliebten Veranstaltung distanziert. Seit Jahren unterfinanziert und seit Jahren nur Blockadehaltung der zuständigen Senatsverwaltung gegenüber allen, die die Mängel in Organisation und Konzeption vorgebracht haben! – Frau Senatorin! Sie gefährden den Kulturstandort Berlin.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Hätten Sie einmal zugehört oder wenigstens Ihre Verwaltung angewiesen zuzuhören, dann hätte man leise und ohne Schaden für die Stadt die Mängel beheben können. Die Karnevalsgruppen wollen den Karneval. Das haben die Karnevalistinnen und Karnevalisten in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, indem sie ihre Zeit, ihre Kreativität, unschätzbar viele Arbeitsstunden und eine enorme Menge privates Geld in diese Veranstaltung, die sie lieben, hineingesteckt haben.

Letzte Woche gab es ein Treffen, auf dem plötzlich alle Forderungen der Karnevalsgruppen erfüllt wurden. Es gibt ein Protokoll mit der Liste der Zusagen. Wunderbar! Damit könnte das Problem gelöst sein. Nur warum soll jetzt plötzlich alles gehen, was in all den Vorjahren unmöglich gewesen ist? Die Senatorin und ihre Verwaltung haben das Vertrauen der Künstlerinnen und Künstler verloren. Das ist im Moment viel schwerwiegender als die Lösung organisatorischer Mängel.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE) und von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Eine Gruppe der ersten Stunde schreibt auf ihrer Website:

„Der Karneval der Kulturen, den wir in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre als praktische kulturelle Maßnahme gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit initiiert haben, wurde zu einem Publikumsmagneten, der der Stadt seit 18 Jahren positives Image und finanzielle Einnahmen bringt. Dass die Gruppen, auf deren Arbeit und Engagement dieses Großevent beruht, sich an Sponsoren verkaufen oder verschulden müssen, weil es keine öffentliche Förderung gibt, interessiert niemand. „

Aber ohne die Gruppen ist der Karneval nichts. Der Senat kann ein Fest auf dem Blücherplatz machen – das ist jetzt für 2015 als Rückzugslinie im Gespräch –, aber mehr bekommt der Senat für sein Geld nicht. Denn alles, was den Karneval zum Karneval der Kulturen macht, ist nicht käuflich. Daraus aber die Schlussfolgerung zu ziehen, dass er dem Senat auch nichts wert sein muss und man sich auf die Kräfte der Selbstausbeutung verlassen kann, ist falsch. Wir stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen.

Geben Sie, Frau Senatorin, dem Karneval das, was er braucht, um wieder zu dem zu werden, was er immer sein wollte.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Geben Sie den Karnevalistinnen und Karnevalisten den organisatorischen und finanziellen Rahmen, der nötig ist. Dazu gehört zuerst, dass die Kommerzialisierung des Karnevals ein Ende haben muss. Nichts gegen eine teilweise Refinanzierung des Umzugs durch das Straßenfest! Es darf aber nicht sein, dass der Umzug in einem Besäufnis, Glasscherben und Dreck untergeht. Ich erwarte, dass dem Abgeordnetenhaus konkrete Zahlen vorgelegt werden, wo Einnahmen und Ausgaben in den letzten Jahren hingeflossen sind. Bisher kann man das Ausmaß der Unterfinanzierung nur schätzen.

Zu den Rahmenbedingungen gehören ein Sicherheitskonzept und die Bereitschaft nachzujustieren, wenn sich Problemlagen verschieben. Auch das ist über Jahre verschleppt worden, nicht nur über Monate. Dafür braucht man außer der Finanzierung auch die ernsthafte Kommunikation mit den Gruppen. Setzen Sie sich endlich zusammen! Und wir brauchen einen Fonds für die Gruppen. Es ist gut, dass auch er letzte Woche zugesagt wurde. Und auch hier gilt: Erarbeiten Sie die Vergabekriterien mit den Künstlerinnen und Künstlern gemeinsam, denn beim Karneval kann nichts, gar nichts gut werden ohne die Beteiligung der Karnevalisten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Der Kulturstandort Berlin ist ohne den Karneval der Kulturen in Gefahr. Deshalb hoffe ich, trotz aller Kritik, dass Sie, Frau Senatorin, das Vertrauen wieder erwerben und die Abmachungen einhalten. Wenn das geschafft ist, darf es kein Zurück mehr geben in die Verwaltungsüberheblichkeit. Die Gruppen haben seit eh und je ihren Beitrag geleistet – 20 Jahre Vorleistung, könnte man sagen. Aber nein, das ist ganz falsch, denn der Karneval ist der Karneval ist der Karneval: fantastische Handwerkskunst, wunderbare Musikerinnen und Musiker, Tänzerinnen und Tänzer, Kreativität und eine umwerfend positive Power.

Im letzten Jahr haben sich die Flüchtlinge einfach eingereiht und sind auf der ganzen Strecke gefeiert worden.mHier feiert sich das multikulturelle und weltoffene Berlin selbst. Das wollen alle erleben, die nach Berlin kommen,um mitzufeiern. Der Karneval war bisher nicht kaputt zu kriegen, aber jetzt muss er endlich besser werden. –Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Weiterhin erwähne ich in der folgenden Diskussion (Videomitschbnitt des rbb):

Frau Senatorin! Wenn Sie sich gekümmert hätten, wäre es nicht notwendig gewesen, dass sich die Gruppen an Parlamentarier wenden, um hier endlich eine Stimme zu bekommen. Das nennen Sie Instrumentalisierung? Das ist mein Job. Dafür bin da.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Es geht hier nicht um eine Übergangsphase, sondern um die Krise, in die Sie den Karneval gebracht haben, im Übrigen auch die Werkstatt der Kulturen, denn diese hängt auch noch daran. Die müssen wir, sobald der Karneval läuft, auch noch wieder auf das Gleis bringen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Duisburg beispielsweise war 2010. Warum ist denn da gar nichts passiert? Das ist nicht eine Krise, die erst in den letzten vier Wochen entstanden ist. Wir haben dieses Problem schon lange. Ich weiß, dass Sie einen Teil auch geerbt haben. Sie hatten auch drei Jahre Zeit aufzuräumen. Jetzt stehen wir vor diesem Scherbenhaufen. Sie haben wieder nichts gesagt. Genau deswegen vertraut man Ihnen nicht. Deswegen vertraue auch ich Ihnen nicht in diesem Punkt. Dann auch noch durch moralische Appelle abzulenken und auf Pegida hinzuweisen, ist einfach schäbig. Das ist schäbig und kaschiert die eigene schlechte Arbeit.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich kann nur an Sie appellieren, halten Sie Ihre Versprechen wenigstens einmal ein. Diese Veranstaltung ist ganz zentral für die Kulturstadt Berlin. Wir brauchen diese Veranstaltung hier in Berlin. Wir brauchen es auch, dass die Leute dem Senat wieder vertrauen. Halten Sie vor allem jetzt die Versprechen ein, was den Träger angeht, was die Finanzen angeht, was die Organisation angeht,

die Verstetigung der Mitarbeit. Die letzten zwei Wochen Gespräche sind nichts, wenn es nicht verstetigt wird. –Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]


Und mein letzter Beitrag zur Diskussion (Videomitschnitt des rbb):

Frau Senatorin! Was den Zeitdruck angeht, ist das tatsächlich ein Problem, und da haben Sie unser Mitgefühl und unsere Solidarität, aber an diesem Zeitdruck – da muss ich mich wiederholen – sind Sie und Ihre Verwaltung selbst schuld. Das muss ich noch einmal sagen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Und genau wegen dieser Ignoranz ist es in den letzten Jahren auch zu dem Vertrauensverlust gekommen, der die Lösung dieser akuten Krise jetzt so schwierig macht. Es wäre sehr viel leichter, wenn Sie wirklich im Gespräch wären und wenn man anknüpfen könnte.

Wenn Sie wirklich so gut in Kontakt sind, wie Sie gesagt haben, dann liegt Ihnen auch der Beschluss der Gruppen von Dienstag vor, wo ein erheblicher Anteil der Gruppen ihre Teilnahme an Bedingungen festmacht und Ihnen kein Vertrauen mehr entgegenbringt. Ich sehe ein, dass das jetzt ganz schwierig zu lösen ist. Wir sind da auf jeden Fall an Ihrer Seite, aber tun Sie endlich etwas, und reden Sie uns hier nicht wieder schwindelig.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN

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