Veranstaltungsbericht: Ein Demokratiefördergesetz für Berlin

Am 11. November 2020 fand das letztes Fachgespräch der von meiner Kollegin Bettina Jarasch und mir konzipierten Online-Reihe „Engagement neu denken“ statt, zum Thema „Ein Demokratiefördergesetz für Berlin“. Das Fachgespräch baut auf den vorangegangen Veranstaltungen auf, bei denen wir ausführlich über die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements und Demokratiearbeit für die Gesellschaft und die Themen Unterstützungsstrukturen und Finanzierung zivilgesellschaftlichen Engagements diskutiert haben.

Auf Bundesebene ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD die Entwicklung eines Gesetzes zur Demokratieförderung vereinbart. Erst kürzlich wurde jedoch öffentlich, dass es dieses so dringend notwendige Gesetz, zumindest in der laufenden Legislatur, nicht geben wird. Wir Grünen fordern auf Bundesebene bereits seit langem ein Demokratiefördergesetz und haben im September einen umfangreichen Antrag in den Bundestag eingebracht, der aktuell in den Ausschüssen diskutiert wird.

Auch auf Landesebene möchten wir Grüne eine langfristig nachhaltige Perspektive für die Unterstützung und Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements schaffen. Als Referent*innen haben wir Anne Ulrich, Referentin für Demokratie in der Inlandsabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung und Tobias Baur, Humanistische Union e.V. gewinnen können.

Anne Ulrich betonte, dass Demokratieförderung klare begriffliche Bestimmungen brauche, was wir mit „Demokratiearbeit“ und „Demokratieförderung“ meinen und welche Instrumente es dafür brauche. Aktuell stehe die Zivilgesellschaft enorm unter Druck. Zum einen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, zum anderen durch die Gefahr, die Gemeinnützigkeit zu verlieren – was wiederum mit der Definition von Demokratiearbeit zusammenhänge. Auch in der argumentativen Auseinandersetzung mit sogenannten Verschwörungstheoretiker*innen und demokratiefeindlich agierenden Personen würde die Zivilgesellschaft zunehmend Unterstützung brauchen.

Tobias Baur griff ebenfalls das Thema „shrinking spaces“ für die Zivilgesellschaft in der Corona-Zeit auf. Auch er sieht ein existenzbedrohendes Problem für zivilgesellschaftliche Initiativen, die Menschenrechtsarbeit betreiben und sich politisch äußern, darin, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Mit der Landeskonzeption „Demokratie.Vielfalt.Respekt“, als einer Gesamtstrategie für Demokratie, die regelmäßig weiterentwickelt werden soll und mit der gerade fertig gestellten Berliner Engagementstrategie habe Berlin zwei gute Grundlagen für die Entwicklung einer nachhaltigen Demokratieförderung. Ein gangbarer Weg zu einem Demokratiefördergesetz werde im Gutachten „Demokratie dauerhaft fördern. Kompetenzrechtliche Vorgaben für ein Demokratiefördergesetz des Bundes“ beschrieben . Der Autor Prof. Dr. Christoph Möllers kommt bei der verfassungsrechtlichen Herleitung der Bundeskompetenz zu dem Ergebnis, dass sich die Kompetenz des Bundes weniger aus der „Staatsleitungsfunktion“ des Bundes oder der „Natur der Sache“ ergibt, als vielmehr aus der Gesetzgebungskompetenz für die „öffentliche Fürsorge“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Grundgesetz). Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe haben Kommunen eine Leistungsverpflichtung, die sie gemäß dem Kinder- und Jugendhilfegesetz von freien Trägern erbringen lassen. Insbesondere das Berliner Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz biete eine reiche Fülle an Anregungen und Materialien, die eventuell auch auf Demokratieförderung übertragen werden könnte.

Eher kritisch sieht Baur die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Zivilgesellschaft sei hier viel zu wenig beteiligt und in ihrer jetzigen Form und Ausgestaltung würde die Stiftung nicht die notwendige Basis dafür bieten können eine tragfähige Demokratieförderung auf den Weg zu bringen und zu etablieren.

In der nachfolgenden Diskussion wurde noch einmal verstärkt darauf hingewiesen, dass es klare Definitionen und Begriffsbestimmungen in Bezug auf Demokratiearbeit, Demokratieförderung und Verständnis von Engagement als Grundlage für eine gesetzliche Regelung für Demokratieförderung brauche. Dazu gehöre auch eine Festschreibung von Zielen, Normen, Bedarfsplanungen sowie die Definition von Qualitäts- und Quantitätsstandards (in Analogie zum Kinder- und Jugendhilfegesetz), Monitoring und Evaluierung. Konsens bestand in dem Punkt, dass die Zivilgesellschaft aktiv an der Entwicklung und Umsetzung eines solchen Gesetzes beteiligt werden solle.

Fazit: Wir brauchen ein Landesdemokratiefördergesetz für Berlin, denn Engagement braucht nachhaltige und rechtlich verlässliche Rahmenbedingungen. Wir Grüne werden uns dafür einsetzen, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft eine solche gesetzliche Grundlage zu erarbeiten und umzusetzen. Die Forderung nach einem Demokratiefördergesetz für Berlin wird auch in unserem Landeswahlprogramm verankert.

 

Die Veranstaltung wurde auf Video aufgezeichnet und kann hier nachgesehen werden.

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