Veranstaltungsbericht: Engagement: Finanzierung neu denken

Das 3. Fachgespräch im Rahmen der von mir und meiner Kollegin Bettina Jarasch konzipierten vierteiligen Online-Diskussionsreihe „Engagement neu denken“ fand am 5.10.2020 zum Thema „Neue Wege der Finanzierung von Engagement“ statt.

Inputgeber*innen: Heike Birkhölzer (Vorstandvorsitzende vom Technologie-Netzwerk Berlin e.V. und Gesellschafter-Geschäftsführerin der Graefewirtschaft GmbH) und Thomas Noppen (Machwerk Berlin, GoVolunteer und HiMate). Holger Spöhr (Paritätischer Wohlfahrtsverband) musste wegen Krankheit leider absagen.

Thomas Noppen: Im Machwerk arbeiten For-Profit Startups neben sozialen Unternehmen, NGOs und Freelancern. Im Unterschied zu konventionellen Coworking Spaces hat dieser gemeinsam genutzte Arbeitsort ein solidarisches Preismodell, ausgerichet an den finanziellen Möglichkeiten jeder Organisation. Das Machwerk versucht damit nicht nur bezahlbaren Raum und Infrastruktur zu bieten sondern auch auch eine Community aufzubauen, die sich gegenseitig Impulse liefert, ergänzt und auch unterstützt. - GoVolunteer ist ein soziales Startup, das freiwillige Helfer*innen mit Projekten und NGOs sowie mit Unternehmen zusammen bringt. Noppen ist überzeugt, dass Unternehmen eine wichtige Rolle bei gesellschaftlichen Herausforderungen spielen. Über die gesetzliche verankerte corporate social responsibility hinaus, würden sich immer mehr Unternehmen sozial engagieren wollen, das reiche von der Unterstützung einzelner Aktionen über Team-Tagen in NGOs bis hin zur Freistellung von Arbeitsstunden von Mitarbeiter*innen für ehrenamtliches Engagement. Mit GoVolunteer hätte er aber die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen dafür und auf ihrem Weg dahin Beratung und Unterstützung in der Umsetzung benötigen, auch damit für alle Seiten ein Mehrwert geschaffen und im besten Fall längerfristige Kooperationen mit NGOs aufgebaut werden können.

Heike Birkhölzer berichtet über die Erfolgsgeschichte des sozialen Unternehmens Gräfewirtschaft GmbH: 2009 gemeinsam mit langzeitarbeitslosen Frauen zunächst als Verein gegründet, ist sie 2016 den Weg über verschiedene Rechtsformen zu einem sozialen Wirtschaftsunternehmen gegangen. Ziel der Gräfewirtschaft sei es von Anfang an gewesen, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, ein existenzsicherndes Einkommen, gute Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten zur (Weiter-)Qualifizierung im eigenen Unternehmen zu schaffen. Birkhölzer stellt heraus, dass die soziale Ökonomie (darunter werden soziale Unternehmen, solidarische Unternehmen, social entrepreneuship und auch gemeinnützige Träger/Strukturen gefasst) in und für Berlin schon lange eine wichtige Rolle spiele, habe aber bisher nicht die nötige öffentliche und politische Aufmerksamkeit bekommen. Mit Social Economy Berlin (SEB) sei nun im August diesen Jahres endlich ein Projekt zur Stärkung und Entwicklung der Sozialen Ökonomie in Berlin gestartet. Gefördert von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe bietet das über 18 Monate laufende Projekt Unterstützung von Gründungsvorhaben im Bereich sozialer und solidarischer Ökonomie. Es gebe (Vor-)Gründungsberatung, den Aufbau einer Vernetzungsstelle und Öffentlichkeitsarbeit zur Sichtbarmachung der Branche. Darüber hinaus soll gemeinsam mit Akteur*innen aus der sozialen Ökonomie ein Konzept zur nachhaltigen Unterstützung und Förderung von sozialer Ökonomie in Berlin erarbeitet werden.

In der nachfolgenden Diskussion ging es zum einen noch einmal detaillierter um Fragen, wie und für wen der Weg von einem Verein in ein soziales Unternehmen sinnvoll wäre. Hier wies Heike Birkhölzer darauf hin, dass das nicht pauschal beantwortet werden könne, sondern im Einzelfall geklärt werden müsse. Dafür seien auch die Beratungen im Rahmen von SEB da. Zum anderen wurden Erfahrungen zu den Vor- und auch Nachteilen für NGOs in Bezug auf Unterstützung durch und Kooperation mit Unternehmen ausgetauscht. Ein weiteres wichtiges Thema konnte an diesem Abend nur kurz angeschnitten werden, weil der dazu eingeladene Holger Spöhr (Paritätischer Wohlfahrtsverband) krankheitsbedingt absagen musste: Die Frage inwiefern Finanzierungsstrukturen wie Förder- und Leistungsverträge analog zum Zuwendungsrecht in der Jugendhilfe auch auf andere NGOs angewendet werden könnten. Dafür müsse eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Fazit: Engagement braucht neue Wege der Finanzierung, die eventuell auch miteinander kombiniert werden können. Dafür wollen wir als Grüne die Strukturen schaffen: Weg von der reinen Projektförderung, die NGOs in der Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen hält, und die Gefahr birgt, dass diese trotz wichtiger Arbeit leer ausgehen, weil ihre Arbeit nicht zu den Förderkriterien passt. Die gesetzliche Grundlage dafür könnte ein Demokratieförder-Gesetz auf Landesebene sein. Außerdem muss die Solidarische Ökonomie als gemeinwohlorientierte Form der Selbstfinanzierung ernster genommen und konsequent unterstützt werden, von der (Vor)Gründungphase bis zur Unternehmensführung.

 

Die Veranstaltung wurde auf Video aufgezeichnet und kann hier nachgesehen werden.

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