Veranstaltungsbericht: Engagement: Unterstützungsstrukturen neu denken

Im Rahmen unserer Online-Diskussion-Reihe „Engagement neu denken“ haben meine Kollegin Bettina Jarasch und ich am 16. September 2020 zum Fachgespräch „Unterstützungsstrukturen neu denken“ eingeladen.

Gemeinsam mit unseren Gästen Andrea Brandt (FreiwilligenAgentur FriedrichshainKreuzberg/eine der drei Sprecherinnen der LAGFA Berlin) und Petra Becker (Back on Track e. V.) sowie einem interessierten Fachpublikum diskutierten wir an diesem Abend über die Frage, wie bestehende Strukturen in Berlin gestärkt und gleichzeitig weiterentwickelt werden können, welche neuen Strukturen es braucht und was muss neu gedacht werden muss.

Andrea Brandt stellte heraus, dass sich die Berliner Engagementlandschaft stetig verändere und weiterentwickele. 2015 habe sich die Zivilgesellschaft schnell organisiert, Initiativen gegründet und Projekte initiiert. In 2020 sei das in der Corona-Krise ähnlich verlaufen. Engagement sei ein Spiegel der Gesellschaft. In den letzten fünf Jahren sind viele neue Akteure hinzugekommen, die wiederum neben klassischen Organisationsformen, wie Vereinen, zunehmend neue, auch über-lokal agierenden Strukturen von flexibleren und weniger formellen Zusammenschlüssen bilden. Digitalisierung spiele dabei sowohl für die inhaltliche Arbeit als auch für die schnelle Vernetzung, Kommunikation und Interaktion eine wichtige Rolle. Unterstützungsstrukturen wie die bezirklichen Freiwilligenagenturen würden vor der kontinuierlichen Herausforderung stehen, ihre Angebote an den Bedarfen und Anliegen der vielfältigen Engagementlandschaft auszurichten, auf Neuerungen zu reagieren und gleichzeitig eine Brückenfunktion zwischen verschiedenen Formen und Ausgestaltungen von Engagement einzunehmen. Das sei nicht immer einfach, denn die Bedarfe an Beratung und Unterstützung seien im konkreten Fall teilweise doch sehr unterschiedlich und die Rahmenbedingungen für Engagement würden, bei allen Verbesserungen seit 2015, dennoch den Realitäten in der Gesellschaft nicht genügend gerecht.

Petra Becker wies darauf hin, dass die Handlungsspielräume für zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland im äußerst positiven Sinne deutlich von den Möglichkeiten in anderen Ländern unterscheiden würden. Seit 2015 habe es eine Reihe von Vereinsgründungen von Geflüchteten gegeben, die diese Handlungsspielräume für sich entdeckt haben. Aber auch diese neue Akteure stehen vor Herausforderungen, insbesondere der Prozess der Vereinsgründung sowie die Verfahren der Antragstellung auf (Projekt)Finanzierung würden sich als Hürden erweisen. Darüber hinaus käme die Erfahrung, dass Schlüsselpositionen in Verwaltungen, Behörden und Stiftungen, die für die Bearbeitung von Förderanträgen zuständig sind, oftmals die realen Bedarfe und Situationen von Migrant*innen nicht kennen bzw. verstehen würden. Hier brauche es mehr Aufklärung und eine bessere Kommunikation.

In der nachfolgenden Diskussion wurde noch einmal besonders auf drei Aspekte eingegangen.

Begrüßt wurde die Vielfalt gewachsener Unterstützungsstrukturen in Berlin. Gleichzeitig wurde jedoch darauf hingewiesen, dass das zu einer Unübersichtlichkeit führe, insbesondere für Organisationen, die sich am Anfang befinden. Hier könne ein Wegweiser Abhilfe schaffen.

Ein immer größer werdendes Problem sei der Zugang zu bezahlbaren Büro- und Arbeitsräumen. Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass aufgrund der Corona-Krise möglicherweise Gewerbe-Räume frei geworden seien.

Ein besonders wichtiges Thema stellt der Bereich der Finanzierung da. Die Arbeit vieler Organisationen würde von kurzfristigen Projektfinanzierungen abhängen . Gewünscht und gefordert ist die Möglichkeit struktureller Förderung. Außerdem wurde auf ein Ungleichgewicht bei Förderungen zwischen großen etablierten Verbänden und kleinen Organisationen hingewiesen. Des weiteren würden Förderrichtlinien gerade für viele kleinere Organisationen oft hohe Hürden aufweisen. Dem Thema „Finanzierung neu denken“ widmet sich das kommende Online-Fachgespräch am 05. Oktober ausführlich.

Politik müsse in diesen Bereichen aktiv werden, es brauche nicht nur kurzfristig Änderungen sondern auch langfristig ein neues Verständnis von Engagement, wie es in der neuen Berliner Engagementstrategie formuliert wird.

Ich bedanke mich bei allen Teilnehmenden für diese gute Diskussion.

Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet. Hier kann sie nachsehen werden.

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